Eine läppische und überflüssige Machtdemonstration

«Kein freier Mensch verhüllt sein Gesicht», behaupten die Väter der «Verhüllungsverbots-Initiative». Man möchte sie fragen: «Warum verhüllt Ihr als freie Menschen dann Eure wahren politischen Absichten?». Immerhin fehlt im Initiativtext jeder Hinweis auf den Islam oder Muslime, obwohl klar ist, wer Adressat ist. Fehlt es den Initianten an Füdli?

Vermummungsverbote kennen wir in der Schweiz schon lange. Im Kanton Zürich wird beispielsweise mit Busse bestraft, wer sich bei „bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen Menschenansammlungen auf öffentlichem Grund unkenntlich macht“. Das Verbot erwies sich in der Praxis allerdings als Flop. Die bundesweite Einführung wurde vor zwei Jahren vom Ständerat deutlich abgelehnt.

Nun will also eine Gruppe von „Freiheitsfreunden“ 100‘000 Unterschriften sammeln, nur um ein neues Verbot aufzustellen. Eine Kleidervorschrift! Für eine kleine Minderheit! So etwas ist eines Landes, das zu Recht stolz ist auf seine über Jahrhunderte erstrittene Freiheit, unwürdig. Niemand wird „frei bleiben!“, indem er anderen Menschen Freiheit abspricht. Im Übrigen lässt sich Freiheit nicht aufzwingen. Wie heisst es so schön in der Präambel unserer Bundesverfassung? – „… gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht.“

Wer Freiheit wirklich liebt, darf, ja er muss sogar klar machen, dass die Freiheit des Anderen nicht weiter geht und nicht wichtiger ist, als die eigene. Rechtsgleichheit ist das Fundament unserer Rechtsordnung und nicht verhandelbar. Nichts zu rütteln gibt es auch an der Tatsache, dass hierzulande unsere Regeln gelten. Selbst, wenn wir festlegen sollten, dass Völkerrecht immer Vorrang hat, wäre das immer noch unsere Regel, die wir als souveräner Staat aufstellen. Wer hier leben will, hat dies nach unseren Gesetzen zu tun. Wem unsere Freiheiten nicht passen, und wer sich nicht damit abfinden kann, dass hier auch über Mohammed Witze gemacht werden, soll gehen. Unsere Freiheitsrechte der Aufklärung stehen nicht zur Disposition. Sie durchzusetzen, ist Raison d’être des Staates. Dafür hat er das Gewaltmonopol und letztlich die Armee.

Welches Ziel soll mit der Initiative erreicht werden? Der Islamisierung Grenzen aufzeigen? Diente dazu nicht bereits die Minarett-Verbotsinitiative? Brachte diese etwa nicht den gewünschten Erfolg? Was wird kommen, wenn auch das Verhüllungsverbot bloss Symbol bleibt? Kommt dann ein Verbot, Teppiche nach Südosten auszurichten?

In den Texten des „Aktionskomitees“ ist die Rede vom muslimischen Terror und vom IS. Glaubt tatsächlich jemand, die Barbaren werden aufhören, ihre Opfer vor laufender Kamera zu köpfen und Kulturgüter zu zerstören, wenn wir den Angehörigen ihrer Religion verbieten, sich zu kleiden, wie sie wollen? Frankreich hat ein solches Verbot. Frankreich hatte auch das Charlie Hebdo-Massaker.

Auch Gleichberechtigung sei dem Komitee ein Anliegen. Gewiss steht es damit im Islam nicht zum Besten. Doch, wie das Wort sagt, es geht um gleiche Rechte, nicht um Verbote. Natürlich kommt es vor, dass Frauen von ihren Männern gezwungen werden, sich in der Öffentlichkeit zu verhüllen. Das ist Nötigung und strafbar. Wir brauchen daher nicht neue Gesetze, sondern Richter, die zu richten wissen.

Auf die Einhaltung unserer Rechtsordnung pochen, ist das Eine. Etwas vollkommen anderes und Ausdruck einer unsympathischen Herr-im-Haus-Haltung ist es hingegen, schikanöse Bestimmungen zu erlassen – nur, weil man es kann. Ein guter Hausherr braucht nicht autoritär aufzutreten. Er ist wegen seiner Persönlichkeit eine Autorität.

Wer, wie ich, unsere westliche Zivilisation, die unter anderem den Rechtsstaat und wundervolle kulturelle Werke hervorbrachte, für überlegen hält, weil sie dem Einzelnen in seinem Streben nach Glück den grösstmöglichen Freiraum gewährt, der weiss, dass unsere Kraft nicht in der läppischen Demonstration von Macht liegt, sondern im Überzeugen als Vorbild.

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Erschienen im Tages-Anzeiger vom 12. Oktober 2015.

6 Gedanken zu „Eine läppische und überflüssige Machtdemonstration“

  1. Sehr geehrter Herr Zanetti
    Ihre heutigen Aussagen im TA finden viele Menschen und Bürger völlig unqualifiziert und zudem schädigend für die SVP und SVP-Ziele! Offensichtlich versprechen Sie sich mit Ihrer Aussage mehr Stimmen (von Linken und Unwissenden) für den NR. Schade, denn Sie als Anwalt des Rechtes [ich bin nicht Rechtsanwalt] sollten wissen, dass jeder Mensch nur dann über Dinge reden sollte, wenn er sie kennt und Bescheid weiss. Das ist bei Ihnen in diesem Falle offensichtlich nicht so und bereits melden viele Wähler, dass Ihr Name auf der SVP-Liste gestrichen wird! Als RA sollten Sie wissen, dass der Islam/Koran grundsätzlich gegen die Menschenrechte, die UNO-Charta und unsere Verfassung verstösst und der Islam sofort verboten werden müsste – rein rechtlich! Weil wir aber soviele Unwissende und Unfähige weltweit haben, können die Muslime ein übles Spiel treiben. Die Frauen sind gemäss Koran absolut minderwertig und müssen vom Manne geschlagen werden. Sie haben keine Rechte an den Kindern. Vor Gericht sind sie eine halbe Männerstimme. Beim Erben erhalten sie ebenfalls die Hälfte eines Mannes. Ausdrücklich verlangt der Koran die Polygamie und 4 Frauen pro Mann, dazu „Sklavinnen für Sex & Arbeit“ gemäss Hadith’s – alleine schon bei diesen Fakten, sollte bei einem sensiblen Juristen der „Deckel hochgehen..“ – Sie erhalten von mir noch ein paar Wörter mehr – später! Schade, dass Leute wie Sie die Sache unseres Landes schädigen. Freundlich: Willy Schmidhauser, Sekr. SD-Thurgau, 8505 Dettighofen, Unt. Bündt 5, XXXXXXX, http://www.sd-tg.ch

  2. Lieber Herr Zanetti
    Die klare Haltung, welche in Ihrem Text zum Ausdruck kommt, verdient in meinen Augen Respekt. Ausserdem freut es mich, dass es offenbar auch innerhalb der SVP möglich ist, unterschiedliche Ansichten zu einem kontroversen Thema zu haben und diese gegen aussen zu vertreten. Herzlichen Dank! Mit freundlichen Grüssen
    E. Ruhoff, Zollikerberg

  3. Well done.
    In der Primarschule erzählte uns der Lehrer von seltsamen Kleidervorschriften im Zürcher Mittelalter. Dahin wollen wir doch nicht wieder zurück.
    Eine solche Initiative ist weder freiheitlich noch zielführend. Sie schürt bewusst Ängste und Misstrauen in der Bevölkerung.
    Was wir aber brauchen, sind Initiativen, die unser Zusammenleben erleichtern, damit alle ihren Platz finden und, wenn nicht miteinander, so doch nebeneinander vorbeikommen.

  4. Soweit einverstanden, Herr Zanetti. Ausser mit einem Punkt. Nur weil wir hier eine, sagen wir, passende Gesetzgebung und die daraus resultierende Freiheit haben, berechtigt uns das noch nicht, uns über Mohammed witzig zu machen. So sehr der Islam dazu Steilvorlagen liefern mag…

  5. Guter Beitrag.
    Über Christen dürfen wir uns lustig machen. Über Atheisten sowieso. Auch über Mohammed, sollte es möglich sein uns lustig zu machen.. Aber WEHE jemand macht sich über einen Juden lustig… („wie sagt man einem suizidalen Juden? – Ein Antisemit“)
    Aber jetzt mal Spass beiseite: Ich teile Ihre Ansichten betreffend Kleidervorschriften/Verboten. Falls es eine Initiative gibt für ein solches Verbot, dann würde ich es vorziehen, wenn das Tragen von Weissen Socken verboten wird – Dies scheint mir das grössere Übel (erst recht in Kombination mit Sandalen (oder Birkenstock))

    Freundliche Grüsse

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