Archiv der Kategorie: EU

Und so etwas nennt sich „Spitzendiplomatin“

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 9. Mai 2010 liess sich Genossin Aussenministerin Calmy-Rey über die SVP wie folgt vernehmen:

„[Ihre] Polemik zielt auf Wählerstimmen und hilft der Integration nicht. Diese Politik führt in die Isolation. Das finde ich unverantwortlich. Die Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind, sind globaler beziehungsweise grenzüberschreitender Art: Migrationsströme, Finanz- und Wirtschaftskrisen, Terrorismus, Klimaveränderung. Das alles können wir nicht alleine lösen. Wir leben mitten in Europa und können uns nicht hinter den Bergen verstecken.“

Frau Calmy-Rey bezieht von der schweizerischen Eidgenossenschaft ein Gehalt von rund 400’000 Franken. Alles, was sie dafür zu tun hat, ist, im Ausland einen guten Eindruck zu machen, und für die Wahrung der Interessen unseres Landes besorgt zu sein. Stattdessen zieht sie in völlig undiplomatischer und unqualifizierter Art und Weise über die mit Abstand grösste Regierungspartei der Schweiz hin, die im Gegensatz zu der eigenen weiterhin im Wachsen begriffen ist. Nicht genug, dass mittlerweile auch das Kollegialitätsprinzip und die Konkordanz auf dem Altar der „aktiven Neutralität“ geopfert wurden, mit solchen Aussagen schadet Frau Calmy-Rey der Schweiz. Als Spitzendiplomatin ist sie eine Fehlbesetzung. Sie versteht von Diplomatie noch weniger als vom Sanieren der Genfer Staatsfinanzen.

Von wem stammt das folgende Zitat?

«Es lässt sich im Grunde alles darauf zurückführen, dass in Europa seit Jahren eine Entwicklung eingesetzt hat, die wir nicht nur nicht verstehen wollen, sondern gegen die wir in engster Anlehnung an die Gegner eines neuen Europas in offenem Gegensatz getreten sind. Wir bilden uns merkwürdigerweise hierbei auch sehr viel darauf ein, fernerhin als ‹Querschläger› durch ein neues Europa zu fliegen.»

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Auswahl

A)    Der Publizist Roger de Weck im „Europa-Manifest“ des „Club Helvétique“.

B)    Der vom Bundesrat 1941 wegen Verbreitung landesverräterischer Propagandathesen entlassene Oberst Gustav Däniker in seiner „Denkschrift“.

C)    Bundesrat Moritz Leuenberger, als er am 17. Oktober 2009 in einer Ansprache vor den Delegierten der SP Schweiz für den EU-Beitritt warb.

Macht, wofür ihr gewählt und bezahlt seid!

Während zweier Tage war der Zürcher Regierungsrat in Brüssel zu Besuch, um die bilateralen Beziehungen Schweiz–EU zu diskutieren. Der Regierungsrat des Kantons Zürich ist die siebte Schweizer Kantonsregierung, welche vor Ort „die Temperatur fühlen und Eindrücke gewinnen“ wollte. Nach Angaben von Regierungspräsidentin Aeppli sollen es „sehr, sehr intensive Tage mit vielen Gesprächen“ gewesen sein. Es müsse nun ein Diskurs über das Verhältnis Schweiz-EU stattfinden.

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Weder in der Bundes- noch in der Kantonsverfassung findet sich eine Bestimmung, wonach der Regierungsrat für Fragen der Aussenpolitik kompetent ist. Doch der linke Flügel der Zürcher Regierung („Drei gewinnt!“) diskutiert lieber in Brüssel über Probleme, die keine sind, anstatt in Zürich echte Probleme zu lösen. So wüssten die Zürcher Bürger und Steuerzahler nur allzu gerne, wie die angekündigten Kostensenkungen im Umfang von 1,4 Mia. Franken realisiert werden sollen. Bisher wissen wir lediglich, dass sich Genossin Aeppli darum foutiert. Und der Trip nach Brüssel ist nicht gerade geeignet, das Vertrauen in den Sparwillen des Regierungsrats zu stärken.

Aber wären da nicht noch vier andere, die für Ordnung sorgen müssten/könnten/sollten?

Teure Solidarität

Dass es auch die NZZ normal findet, dass die angebliche „Solidarität“ der Schengen-Staaten mit der Schweiz nicht gratis sei, vermag nicht zu überraschen. Schliesslich waren es vor allem freisinnige Politiker, die ihre Begeisterung darüber kaum zu zügeln vermochten, dass sich Staaten, die von sich behaupten Rechtsstaaten zu sein, an Verträge halten.

Nichts anderes ist nämlich passiert. Die Schweiz hat sich vertragskonform verhalten, als sie Vertretern der libyschen Nomenklatur die Einreise verweigerte, und sie durfte nach Treu und Glauben darauf vertrauen, dass der Schengen-Vertrag auch von den anderen Unterzeichnerstaaten eingehalten wird. Oder haben wir es mit derart unsichere Kantonisten zu tun, dass diese mit Geldzahlungen dazu gebracht werden müssen, sich an Vereinbarungen zu halten?

Wie dem auch sei, von Solidarität kann jedenfalls keine Rede sein. Genau so wenig, wie man bei einem Mietvertrag von einer Solidarität der Vertragsparteien reden würde, wenn der Vermieter das Objekt zu Verfügung stellt, und der Mieter pünktlich die Miete bezahlt.

Eine vollkommen andere Frage ist freilich, ob ein Staat das Recht haben soll, darüber zu bestimmen, wer sich auf seinem Territorium aufhalten darf. Ein Staat, der auf dieses Recht verzichtet, verzichtet auf den Kerngehalt seiner Souveränität. Und wenn es nach dem Vertrag zu Schengen tatsächlich nicht möglich sein sollte, dass die Schweiz einem libyschen Beduinenclan die Einreise verweigert, weil dadurch das Verhältnis Dritter mit dem „mad dog“ eine Störung erfährt, so ist der Vertrag schleunigst zu kündigen.

Unreflektiertes EU-Geschwafel

Der Tages-Anzeiger hat unter der neuen Chefredaktion und mit dem neuen Erscheinungsbild eindeutig an Statur gewonnen. Rückschläge lassen sich im Zuge einer solchen Entwicklung natürlich nicht verhindern. Dass es jedoch ausgerechnet der Auslandschef ist, der einen solchen zu verantworten hat, ist sehr bedauerlich.

Luciano Ferrari will den EU-Beitritt der Schweiz. Das ist ein legitimes Anliegen. Rudenze und Anpasser gab es immer, doch von einem Ressortleiter einer grossen Schweizer Tageszeitung erwarte ich in einem Kommentar eine gewisse Tiefe, die auf vorangegangene Reflexionen schliessen lässt, und nicht den gleichen oberflächlichen Mumpitz, mit dem wir tagtäglich von europhilen Politikern überschüttet werden.

So behauptet Ferrari, der Bundesrat habe „ein Tabu gebrochen“: Nüchtern betrachtet geht es lediglich darum, dass der Bundesrat macht, wozu er gesetzlich verpflichtet ist. Er beantwortet ein Postulat, der freisinnigen Nationalrätin Christa Markwalder. Wo hier ein Tabubruch vorliegen soll, ist mir schleierhaft. Dass Frau Markwalder für jeden medienwirksamen Unfug zu haben ist, wissen wir spätestens seit ihrem Auftritt in „10vor10“ als sie – entgegen besserem Wissen – von einem Antrag Gaddafis auf Zerschlagung der Schweiz durch die Uno parlierte, dem unser Land nur mit Hilfe anderer Länder zu entkommen vermöge. Die Frau hat sich damit als unseriös qualifiziert, was ihrer Unterstützung durch ihre Fangemeinde in den Medien allerdings keinerlei Abbruch tut.

Das Postulat – Liebling der Populisten

Frau Markwalder hat ein Postulat eingereicht, in dem sie den Bundesrat unter anderem „beauftragt“, „ohne Verzögerung erneut die Vor- und Nachteile der jeweiligen europapolitischen Instrumente zu evaluieren und dabei die grundlegenden Veränderungen seit Erscheinen des Europaberichtes 2006 zu berücksichtigen“. Wichtig ist das Wort „beauftragt“, das von Luciano Ferrari kritik- und kommentarlos übernommen wird. Das Wort ist falsch. Wie jedes Kind und auch jeder Journalist im Gesetz oder auf der Website des Parlaments nachlesen kann, lässt sich mit einem Postulat keine Massnahme erzwingen. Die Regierung ist lediglich verpflichtet, „zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob der Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen sei.“ Darum Merke: Wer als Politiker nichts bewegen, sondern nur die Medien auf sich aufmerksam machen will, reicht ein Postulat ein. Aus diesem Grund geniesst das Postulat unter Populisten so grosse Beliebtheit. Wenn Frau Markwalder und ihre 100 Mitpopulisten Mumm in den Knochen hätten, würden sie eine Motion oder eine Parlamentarische Initiative einreichen. Es liegt auf der Hand, weshalb sie das nicht tun. Das wäre ein Thema für einen kritischen Journalisten.

Dann behauptet Luciano Ferrari, Bundesrat Moritz Leuenberger habe sich geoutet, indem er kürzlich den EU-Beitritt forderte. Das ist ganz einfach lächerlich. Leuenbergers Position in der Europadiskussion ist seit Jahren jedem Zeitgenossen, der sich für Politik interessiert, bekannt. Zumindest in dieser Hinsicht kann also von einem „Outing“ keine Rede sein. Es wären ganz andere Fragen, die sich ein kritischer Journalist in diesem Zusammenhang stellen würde: So stellt Moritz Leuenbergers EU-Plädoyer eine flagrante Verletzung des Kollegialitätsprinzips dar. Der Bundesrat hat den EU-Beitritt nämlich explizit aus seinem Legislaturprogramm gestrichen, und seither nicht wieder aufgenommen. (Aus irgendeinem Grund waren Journalisten, was dieses Thema angeht, in der letzten Legislaturperiode wesentlich sensibler.) Und wurde unser neuer Bundesrat Burkhalter nicht eben noch dafür gelobt, dass er versprach, vor Sitzungen des Bundesrats nicht kund zu tun, welche Anträge er stellen werde, weil dies einer sachlichen Auseinandersetzung im Kollegium abträglich sei? Und warum erwähnt Ferrari nicht, dass Moritz Leuenberger mit seinem Antrag in der Klausurtagung des Bundesrats vergangene Woche offensichtlich grandios gescheitert ist?

Fast 20 Jahre lang an der Nase herumgeführt

Dann greift Luciano Ferrari zu einem Trick. Im Zusammenhang mit den Gefahren des Bilateralismus schreibt er: „Es ist schwierig, dem Volk klarzumachen, dass es an der Nase herumgeführt wurde“. Korrekt müsste es allerdings heissen: „Es ist schwierig, dem Volk klarzumachen, dass man es an der Nase herumgeführt hat.“ Es ist nämlich so, dass der Bundesrat und mit ihm eine Mehrheit des Parlaments seit bald 20 Jahren gegen den Entscheid von Volk und Ständen, dem EWR nicht beizutreten, obstruiert. Der Bilateralismus wurde von der herrschenden Klasse nie als das betrachtet, was er seinem Wesen nach ist, ein Konzept, um der EU nicht beitreten zu müssen. Damit ist klar, wo die Betrüger zu finden sind.

In einem hat Luciano Ferrari Recht: Es ist wichtig, die Diskussion über den EU-Beitritt engagiert und hart zu führen. Von mir aus können wir schon nächstes Jahr darüber abstimmen. Ich verlange aber, dass sich die EU-Turbos nach ihrer Abfuhr wie Demokraten verhalten und eine Zeit lang Ruhe geben.

Egoistische Interessenvertretung?

Man darf ihn selbstverständlich „ziemlich undiplomatisch“ nennen. Ich hätte eher den Titel „Wir sind verloren!“ gesetzt. Alleine schon die Bilder von Franz von Däniken, Staatssekretär im Aussenministerium, die „DAS MAGAZIN“ (41/2009) zur Illustration eines Interviews der Redaktoren Martin Beglinger und Finn Canonica verwendet, zeigt, wie himmeltraurig es um unsere Aussenpolitik bestellt ist. Auf dem Cover ein ausgemergelter Chefdiplomat und dann das:

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Während beispielsweise im VBS sogar Generälen immer wieder das Wort verboten wird, wenn sie ihre private Meinung zum Besten geben wollen, ist dies im EDA durchaus erwünscht. Vorausgesetzt natürlich, dass die Departementsvorsteherin nicht kritisiert wird. Das würde hart bestraft. Wenn jedoch ein Chefbeamter den EU-Beitritt fordert, obwohl die Landesregierung diese Zielsetzung nach eingehender Diskussion aus ihrem Schwerpunktprogramm kippte, muss er deswegen nicht mit Konsequenzen rechnen. Höchstens mit einer Lohnerhöhung.

Nun gibt es genau etwas, das man grosszügig als Argument für einen EU-Beitritt gelten lassen kann. Ein Land erhält damit die Möglichkeit, seine Interessen direkt in den zuständigen Gremien einzubringen. Dazu wäre allerdings erst einmal zu klären, worin diese Interessen genau bestehen. Gerade im Zusammenhang mit der Ratifikation des Vertrages von Lissabon wird deutlich, dass die Interessen zwischen „Brüssel“ und den nationalen Regierungen einerseits sowie zwischen den Regierungen und den Regierten andererseits teilweise massiv divergieren.

Dabei sein ist alles, koste es, was es wolle

Doch zurück zu Franz von Däniken, der da todesmutig seine innersten Überzeugungen preisgab: Ihm gehe es nur um die „internationale Verantwortung“, der sich die Schweiz angeblich in der Vergangenheit nicht gestellt hat. Insbesondere in finanzieller Hinsicht zeige sich unser Land knauserig. Dass über eine Million Ausländerinnen und Ausländer hier leben und ihr Auskommen finden, verdient nach Ansicht des Diplomaten, der auf Kosten der geizigen Schweizer einen stolzen Lohn bezieht, nicht einmal Erwähnung.

Nicht nur das: von Däniken findet es sogar unanständig wenn ein Land Interessen vertritt, und wirft der Schweiz sogar vor, in dieser Hinsicht „egoistisch“ zu handeln. Ganz offensichtlich hat der Mann die vergangenen Jahre im Archiv verbracht und weder Zeitung gelesen noch sich sonst auf irgendeine Art über das Zeitgeschehen auf dem Laufenden gehalten. Sonst hätte er nämlich eine Ahnung davon, wie unzimperlich andere Länder ihre Interessen durchsetzen und sich einen Deut scheren um die Souveränität der anderen. Leute wie Franz von Däniken machen es ihnen leicht.

Immerhin, und das ist Herrn von Däniken zu verdanken, wissen wir nun, dass das mit der Interessenvertretung gar nie ernst gemeint war. Damit ist auch das letzte „Argument“ für einen EU-Beitritt entfallen.

Adolf M. macht sich Sorgen um die Schweiz

Man kann es kaum glauben. Mit seinem neusten Coup ist Adolf Muschg punkto Dreistigkeit in neue Dimensionen vorgestossen. Ausgerechnet er, der beim Anblick von Geranien vor einem Chalet an Auschwitz denken muss. Ausgerechnet er, der „Neutralität“ für einen „unanständigen Furz“ hält, beklagt, in der heute erschienen Ausgabe der „Zeit“, das der Schweiz ist die Selbstachtung abhanden gekommen sei. Zwar kann man sich tatsächlich fragen, wie es um die Selbstachtung eines Landes bestellt ist, das einem Nestbeschmutzer wie Muschg einen Lohn bezahlt, doch das ist nicht das, was der Günter Grass im Taschenformat meint.

In seiner Analyse zum aktuellen Zustand der Schweiz kommt Muschg zum Schluss: Der Schweiz ist die Selbstachtung abhandengekommen. Die Gründe dafür formuliert er so: „Eigentlich befindet sich die Schweiz schon seit dem Bergier-Bericht, spätestens seit dem Grounding der Swissair in einem kollektiven Dauerschock, an dem vielleicht das Typische, aber auch das Bedenklichste seine Verleugnung ist. Wenigstens hat die Schweiz das Problem nicht mehr, vor dem sie Keller 1862 noch glaubte warnen zu müssen: sich auf dem Lorbeer auszuruhen, den ihr andere spenden.Muschg weiter: „Die immer noch reiche Schweiz erlebt etwas, was sie sich nicht leisten kann: Isolation. Die Rechthaberei der Glücklichen, an denen Krieg und Elend ohne eigenes Verdienst vorübergegangen sind, schlägt auf sie selbst zurück. Ob es uns passt oder nicht: Jetzt sind wir dabei – nur nicht in bester Form und unverhofft einsam. In unserem Selbstverständnis hat sich eine Lücke geöffnet, durch welche eine unverstandene Welt verdächtig mühelos einbricht, ohne einer soliden Selbstachtung zu begegnen. Die alten Grenzbefestigungen waren schon lange brüchiger, als ihre Verteidiger wissen wollten. Dass das Land sich 1992 gegen die EU so dicht wie möglich gemacht hat, war ein Fehler – was in der Politik bekanntlich schlimmer ist als ein Verbrechen. Ein paar Dutzend bilaterale Verträge sind, bei aller nötigen Pfiffigkeit, kein Ersatz für ehrliche Teilnahme und ehrenhafte Beteiligung.“

Was Muschg da von sich gibt, ist ganz einfach dämlich. Zwar haben auch Professoren das Recht, Unsinn zu erzählen, doch sollte es bei ihnen nicht gleich für jeden Zeitungsleser offensichtlich sein. Es ist ganz einfach Quatsch und schadet dem Land, zu behaupten, die Schweiz sei isoliert. Wir waren aussenpolitisch noch nie so präsent wie heute, und wenn es tatsächlich irgendwo Probleme gibt, so sind die genau auf diesen konzeptlosen Aktivismus einiger Egozentriker zurückzuführen.

Auf Hilfe von „Verbündeten zu hoffen, ist naiv. Auch „Sicherheit durch Kooperation“ hat sich längst als Illusion erwiesen. Länder sind nicht weniger egoistisch als Individuen. EU-Mitglied Österreich musste soeben auf Druck seiner Verbündeten das Bankgeheimnis preisgeben, und EU-Mitglied England hat einen Lockerbie-Attentäter nach Libyen entlassen, wo er von einer jubelnden Menschenmenge empfangen wurde. Niemand hat England geholfen. Im Gegenteil, die Briten rechtfertigten ihren Schritt sogar nicht mit Verweis auf den Druck, dem sich die Schweiz momentan ausgesetzt sieht. Und schliesslich Frankreich, ebenfalls EU-Mitglied: Auch unsere Nachbarn im Westen konnten bei der Befreiung nicht auf effiziente Hilfe von Partnern zählen. Deren Gerede machte auf Gaddafi nicht den Geringsten Eindruck. Ihn interessierten der Schuldenerlass in der Höhe von 54 Mio. US-Dollar (Lösegeld) und das in Aussicht gestellte „diplomatische Entgegenkommen“ Frankreichs. Das war es, was ihn zur Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern bewog – nicht die Solidarität der Europäer.

Herr Muschg, seien Sie so gut: Lesen Sie das nächste Mal Zeitung, bevor Sie in der Zeitung schreiben.

Realitätssinn statt Defätismus

Das Verhalten unseres Bundespräsidenten in der so genannten Libyen-Affäre zeugt nicht gerade von Selbstbewusstsein. Es ist Hans-Rudolf Merz scheinbar entgangen, dass sein Gegenüber ein Putschist ist. Einer, der die Zerschlagung der Schweiz fordert. Ein Freund von Jean Ziegler und Jörg Haider. Ein muslimischer Fanatiker. Ein brutaler Diktator, der für die Ermordung Hunderter von Menschen verantwortlich ist und Mao zum Vorbild hat.

Wer, wie Merz, lieber über Stilfragen anstatt über politische Inhalte diskutiert, müsste eigentlich wissen, welcher Stil im Umgang mit solchen Leuten angezeigt ist. Der frühere amerikanische Präsident Ronald Reagan jedenfalls bezeichnete Muammar al-Gaddafi, schon 1986 als den „verrückten Hund des mittleren Ostens“ und bombardierte ihn. Das ist die Sprache, die der „Revolutionsführer“ versteht. Etwas in der Art ist von der Schweiz nicht zu erwarten. Dem Schweizer Steuerzahler, dem Millionen für die super-spezial-top-Profi-Einheit AAD 10 (Armee-Aufklärungsdetachement 10) abverlangt werden, wurde gerade kürzlich eröffnet, dass der Eliteverband nicht in der Lage sei, die in Libyen zurückgehaltenen Geschäftsleute aus dem Land zu holen, obwohl das Pflichtenheft genau solche Kommandoaktionen vorsieht. – Irgendwie musste der Budgetantrag schliesslich gerechtfertigt werden.

Nun mag es verschiedene Methoden geben, um das Verhältnis zu Libyen zu klären und die Festgehaltenen aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Das Konzept des aktiven Defätismus war jedenfalls nicht erfolgreich. Wie immer die Sache ausgeht, wir sind auf die Gnade eines verrückten Hundes angewiesen.

Es ist festzustellen, dass zwischen einzelnen Departementen praktisch Kriegszustand herrscht und dem Bundespräsidenten die Autorität fehlt, für Ordnung zu sorgen. Dabei soll sich das Klima in der Landesregierung mit der Abwahl von Christoph Blocher so sehr verbessert haben. In diesem Klima „alle gegen alle“ wird manches Süppchen gekocht. Und wie üblich mischt auch Bundesrat Couchepin wacker mit. Er wird zwar demnächst aus der Landesregierung ausscheiden, doch seine Sticheleien aus dem Hinterhalt dürften deswegen nicht ausbleiben. Ich sehe sie schon vor mir: „Bodenmann und Couchepin“, wie „Statler und Waldorf“, die beiden alten Stänkerer aus der Muppet Show.

Couchepins grösste Leistung besteht darin, dass er es nicht geschafft hat, die Schweiz in die EU hineinzumanövrieren. Dieses Versagen verdient Applaus. Dass es trotzdem höchste Zeit ist, dass er die Regierung verlässt, zeigen seine jüngsten Medienverlautbarungen: „Wir sind allein in Krisen. Das wäre in der EU anders“, lässt er die verblüffte Öffentlichkeit wissen. Wie bitte? Da ist auf der einen Seite eine Wüstendiktatur, die ausser Öl nichts zu bieten hat, und die Menschenrechte mit Füssen tritt, und auf der anderen Seite ist ein direktdemokratischer Rechtsstaat mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Und ein Mitglied der Regierung dieses Landes beklagt dessen angebliche Isolation. Das alleine ist schon grotesk. Vollends Sorgen um Couchepins Gesundheitszustand muss man sich allerdings machen, weil er behauptet, dass wir als Mitglied der EU auf Unterstützung seitens der Verbündeten zählen könnten. Musste EU-Mitglied Österreich nicht gerade auf Druck seiner Verbündeten sein Bankgeheimnis preisgeben? Und hat nicht gerade EU-Mitglied England einen Lockerbie-Attentäter nach Libyen entlassen, wo er von einer jubelnden Menschenmenge empfangen wurde? Und würde dieser Schritt von der britischen Regierung nicht mit Verweis auf den Druck, dem sich die Schweiz momentan ausgesetzt sieht, gerechtfertigt?

Auch wenn es in der Wolle gefärbten Gutmenschen nicht in den Kopf will: Staaten haben, wie Menschen, Interessen, und diese versuchen sie durchzusetzen. Wenn es geht, mit politischen Mitteln im Dialog. Doch bekanntlich findet die Politik ihre Fortsetzung in der kriegerischen Auseinandersetzung. Dazu gehört auch der Wirtschaftskrieg. – Höchste Zeit, dass man sich in Bern der Realität zuwendet.

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Erschienen in der Berner Zeitung vom 5. September 2009

Der Club der müden Denker

Georg Kreis, Roger de Weck und ein paar Sozialdemokraten haben ein «Europa-Manifest» veröffentlicht. Sie wollen damit angeblich dem intelligenten Disput um den EU-Beitritt der Schweiz Nahrung geben. Obwohl das Papier in intellektueller Hinsicht nichts hergibt, sollten EU-Skeptiker den Ball aufnehmen. Ein baldiger Entscheid von Volk und Ständen dürfte die Angelegenheit auf längere Zeit klären.

Der «Club Helvétique»… Wie bitte, Sie kennen den «Club Helvétique» nicht? – Das ist eine Clique linksintellektueller Euroturbos, die bisher vor allem durch Intrigen und Verunglimpfungen im Vorfeld von Bundesratswahlen aufgefallen ist. Seine Mitglieder haben sich im Bestreben zusammengefunden, den Vormarsch der SVP zu stoppen. Was auf demokratischem Weg in Wahlen nicht zu erreichen ist, soll mit Hilfe von Pamphleten, Verunglimpfungen, Gutachten und der Berufung auf Völkerrecht geschehen.

Dieser Verein hat sich also zum letzten 1. August zu Wort gemeldet und ein «Europa-Manifest» publiziert, auf das keiner gewartet hat. Selbst die Autoren scheinen ihrem Traktat kein grosses Gewicht beizumessen. Erst nach mehrtägiger Verspätung liess sich das Papier vom Internet abrufen. Entsprechend bescheiden blieb das Medienecho. Einzig die Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» brachte die Sache gross heraus. Eine Redaktorin des unabhängigen «Qualitätsblatts» ist Mitunterzeichnerin.

Intelligenzija im Elfenbeinturm

Angeblich ist das Papier als Diskussionsbeitrag gedacht. Sie reden nämlich gerne, die Helvetiker. Lebhafte CH-Debatten seien für ihn «wie Sauerstoff» lässt Euroturbo Roger de Weck den Leser wissen, der sich im Internet danach erkundigt, warum sich jemand im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte im «Club Helvetique» engagiert. Die ehemalige SP-Nationalrätin Barbara Haering sucht ebenfalls «die intellektuelle Auseinandersetzung um die Zukunft unseres Landes». Auch ihr Parteigenosse Andreas Gross will sich «austauschen und gemeinsam nachdenken können». Für Zeitgeistsurfer Georg Kreis ist der Club sogar eine «Institution der demokratischen Selbsthilfe», und Tausendsassa Kurt Imhof macht mit, weil «Aufklärung nötig ist». Wozu ist man schliesslich Experte? Sogar der Luzerner Historiker Aram Mattioli behauptet von sich, er suche den «rationalen Gedankenaustausch unter intelligenten Zeitgenossen», wobei intelligent in diesem Zusammenhang als «gleichgesinnt» zu verstehen ist. Mit der Lust am Debattieren ist es nämlich nicht weit her. Ausserhalb ihres Elfenbeinturms scheuen die Mitglieder des elitären Clubs den offenen politischen Disput wie der Teufel das Weihwasser. Man zieht es vor, sich gegenseitig in der bestehenden Meinung zu bestärken. Man zelebriert die vermeintliche eigene Intelligenz und Weltoffenheit, klopft sich auf die Schulter und zitiert aus Nationalfondsstudien und Expertisen, zu deren Verfassung man sich gegenseitig auf Kosten der Steuerzahler beauftragt hat.

Erfrischend ehrlich sind hingegen die Stellungnahmen von den ganz Linken, die sich im «Club Helvétique» zuhauf tummeln: Cécile Bühlmann redet beispielsweise gar nicht erst vom Debattieren. Für sie ist der Verein eine Kampforganisation gegen «rechtspopulistische Politiker», denen sie pauschal vorwirft, den Staat und seine Institutionen pauschal zu verunglimpfen.

Toleranz der Gleichgeschalteten

Der Vorwurf der Verunglimpfung und Ausgrenzung fällt allerdings auf die Clubmitglieder zurück. Sie sind es, die Zensuren verteilen und dem Denken Leitplanken zu setzen versuchen. Selbst das Strafrecht nutzen sie in einer Weise, die man üblicherweise in totalitären Systemen antrifft. Eine Kostprobe seiner Offenheit gegenüber Andersdenkenden und seiner Freude an der intellektuellen Auseinandersetzung gab Mattioli kürzlich in anderem Zusammenhang: So fordert er die Absetzung der TV-Sendung «Alpenfestung» nicht, weil sie oberflächlich ist, und der Realität der Kriegsjahre nicht gerecht wird, sondern weil er fürchtet, die SVP könnte das Réduit politisch instrumentalisieren. Hier zeigt sich sehr deutlich, wie die Aversion gegen die stärkste demokratische Kraft des Landes pathologische Formen angenommen hat: Man findet einfach alles schlecht, was die SVP gut findet, und umgekehrt und gibt sich nicht einmal Mühe, diese dürftige intellektuelle Basis zu kaschieren. Im Gegenteil, man labt sich an den eigenen Gemeinplätzen und weiss die Mainstream-Medien auf seiner Seite.

Dürftig für Professoren

Von Plattitüden strotzt auch das Europa-Manifest, das Roger de Weck bereits im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit vom Februar 2009 angekündigt hatte. Es ist allerdings nicht vorstellbar, dass an den zwei Seiten tatsächlich ein halbes Jahr gearbeitet worden ist. Kein Schüler würde dafür mehr als zwei Stunden benötigen.

Nicht ein einziger origineller oder gar provokativer Gedanke findet sich in dem Papier. Ein Manko, das die zahllosen Banalitäten und Floskeln nicht aufzuwiegen vermögen. Überraschend ist lediglich, dass Professoren von Schweizer Hochschulen für einen dermassen seichten Text verantwortlich zeichnen. Schon die ersten beiden Sätze, die an Waschmittelreklame erinnern, könnten platter nicht sein: «Alle reden von den Bilateralen. Wir reden vom EU-Beitritt.» Gleich zu Beginn die erste Nebelpetarde. Die Männer und Frauen vom «Club Helvétique» haben nicht einmal genug Füdli, um offen zu sagen, dass sie für den EU-Beitritt sind. Ihre Behauptung, es gehe ihnen darum, lediglich eine Debatte anzustossen, ist Augenwischerei. Eine Beleidigung für jeden denkenden Zeitgenossen.

Den Ball aufnehmen

Bei aller Trivialität des «Europa-Mainfests», Georg Kreis und seine linken Verbündeten haben dem Lager der Gegner eines EU-Beitritts im Grunde einen Gefallen getan. Die Argumente des «Club Helvétique» sind so schwach, dass die Debatte – nicht zuletzt im Hinblick auf die Wahlen 2011 – entschlossen geführt werden sollte.

Diskutieren wir, liebe Helvetiker! Ihr wollt, so schreibt Ihr, der «Erosion der nationalen Demokratien» entgegentreten. Doch, warum sollen wir unsere direkte Demokratie zur Folklore verkommen lassen, um eine «europäische Demokratie» aufzubauen, die keiner der «in Europa» Herrschenden will? Eure Verlautbarungen zum Völkerrecht zeigen nur allzu klar, wohin die Reise gehen soll. Warum redet Ihr eigentlich nirgends von den Bürgerinnen und Bürgern und deren Rechten? Misst sich die Qualität eines Gemeinwesens nicht mehr am Wohle der Schwachen, wie es in unserer Bundesverfassung heisst? Warum sucht man in Eurem Manifest die Begriff «Freiheit» und «Neutralität» vergeblich? Warum sollen wir in ein System wechseln, dass zwar Mindeststeuern, aber keinen Schutz vor zu hohen Steuern kennt? Ist es nicht besser, in Bern Probleme zu lösen, als in Brüssel darüber zu reden? Und warum soll Mitbestimmung besser sein als Selbstbestimmung. Und für wen ist es besser?

Es gibt in der Tat viele Fragen, über die es sich zu streiten lohnt. Also streiten wir! Und dann stimmen wir ab. Aber dann gebt Ihr bitte Ruhe. Versprochen?

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Erschienen in der „Schweizerzeit“ vom 21. August 2009

EU-Beitritt? Lasst uns darüber streiten – und abstimmen!

Der „Club Helvétique“… Wie bitte, Sie kennen den „Club Helvétique“ nicht? – Das ist eine Clique linksintellektueller Euroturbos, die bisher vor allem durch Intrigen und Verunglimpfungen im Vorfeld von Bundesratswahlen aufgefallen ist. Dieser Verein hat sich also zum letzten 1. August zu Wort gemeldet und ein „Europa-Manifest“ publiziert, auf das keiner gewartet hat. Selbst die Autoren scheinen ihrem Traktat kein grosses Gewicht beizumessen. Erst mit mehrtägiger Verspätung ist das Papier vom Internet abrufbar. Entsprechend bescheiden blieb das Medienecho. Einzig die Westschweizer Tageszeitung „Le Temps“ brachte die Sache gross heraus. Eine Redaktorin des unabhängigen Qualitätsblatts ist Mitunterzeichnerin.

Nicht ein einziger origineller oder gar provokativer Gedanke findet sich in dem Papier. Ein Manko, das die zahllosen Gemeinplätze nicht aufzuwiegen vermögen. Überraschend ist lediglich, dass Professoren von Schweizer Hochschulen für einen dermassen seichten Text verantwortlich zeichnen. Schon die ersten beiden Sätze, die an einen Werbeslogan für ein Putzmittel erinnern, könnten platter nicht sein: „Alle reden von den Bilateralen. Wir reden vom EU-Beitritt.“ Gleich zu Beginn die erste Nebelpetarde. Die Männer und Frauen vom „Club Helvétique“ haben nicht einmal genug Füdli, um offen zu sagen, dass sie für den EU-Beitritt sind. Ihre Behauptung, es gehe ihnen darum, lediglich eine Debatte anzustossen, ist Augenwischerei. Eine Beleidigung für jeden denkenden Zeitgenossen.

Es stimmt: Sie reden tatsächlich gerne im „Club Helvétique“. Einer gibt sogar an, er sei Mitglied geworden, weil er den „rationalen Gedankenaustausch unter intelligenten Zeitgenossen“ suche. Intelligent bedeutet in diesem Kreis allerdings „gleich gesinnt“, um nicht zu sagen: gleichgeschaltet. Ausserhalb ihres Elfenbeinturms scheuen die Mitglieder des elitären Clubs den offenen politischen Disput wie der Teufel das Weihwasser. So hat beispielsweise die Aversion gegen die stärkste demokratische Kraft des Landes mittlerweile pathologische Formen angenommen. Das „Europa-Manifest“ vermag die Zweifel an der Redlichkeit seiner Autoren nicht zu zerstreuen. Wer so um den heissen Brei herumredet, muss erst beweisen, dass er wirklich gewillt ist, eine Debatte über die Zukunft unseres Landes offen und, wo nötig, hart zu führen. Jemanden, der anderer Meinung ist, des Rechtspopulismus oder gar der Fremdenfeindlichkeit zu bezichtigen, erschwert die angeblich gewünschte Debatte.

Diskutieren wir! Ihr wollt, so schreibt Ihr liebe Helvetiker, der „Erosion der nationalen Demokratien“ entgegentreten. Doch, warum sollen wir unsere direkte Demokratie zur Folklore verkommen lassen, um eine „europäische Demokratie“ aufzubauen, die keiner der „in Europa“ Herrschenden will? Eure Verlautbarungen zum Völkerrecht zeigen nur allzu klar, wohin die Reise gehen soll. Warum redet Ihr eigentlich nirgends von den Bürgerinnen und Bürgern und deren Rechten? Misst sich die Qualität eines Gemeinwesens nicht mehr am Wohle der Schwachen, wie es in unserer Bundesverfassung heisst? Warum sucht man in Eurem Manifest die Begriff „Freiheit“ und „Neutralität“ vergeblich? Warum sollen wir in ein System wechseln, dass zwar Mindeststeuern, aber keinen Schutz vor zu hohen Steuern kennt? Ist es nicht besser, in Bern Probleme zu lösen, als in Brüssel darüber zu reden? Und warum soll Mitbestimmung besser sein als Selbstbestimmung. Und für wen ist es besser?

Es gibt in der Tat viele Fragen, über die es sich zu streiten lohnt. Also streiten wir! Und dann stimmen wir ab. Aber dann gebt Ihr bitte Ruhe. Versprochen?

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Erschienen in der Berner Zeitung vom  8. August 2009