Alle Beiträge von Claudio Zanetti

Egoistische Interessenvertretung?

Man darf ihn selbstverständlich „ziemlich undiplomatisch“ nennen. Ich hätte eher den Titel „Wir sind verloren!“ gesetzt. Alleine schon die Bilder von Franz von Däniken, Staatssekretär im Aussenministerium, die „DAS MAGAZIN“ (41/2009) zur Illustration eines Interviews der Redaktoren Martin Beglinger und Finn Canonica verwendet, zeigt, wie himmeltraurig es um unsere Aussenpolitik bestellt ist. Auf dem Cover ein ausgemergelter Chefdiplomat und dann das:

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Während beispielsweise im VBS sogar Generälen immer wieder das Wort verboten wird, wenn sie ihre private Meinung zum Besten geben wollen, ist dies im EDA durchaus erwünscht. Vorausgesetzt natürlich, dass die Departementsvorsteherin nicht kritisiert wird. Das würde hart bestraft. Wenn jedoch ein Chefbeamter den EU-Beitritt fordert, obwohl die Landesregierung diese Zielsetzung nach eingehender Diskussion aus ihrem Schwerpunktprogramm kippte, muss er deswegen nicht mit Konsequenzen rechnen. Höchstens mit einer Lohnerhöhung.

Nun gibt es genau etwas, das man grosszügig als Argument für einen EU-Beitritt gelten lassen kann. Ein Land erhält damit die Möglichkeit, seine Interessen direkt in den zuständigen Gremien einzubringen. Dazu wäre allerdings erst einmal zu klären, worin diese Interessen genau bestehen. Gerade im Zusammenhang mit der Ratifikation des Vertrages von Lissabon wird deutlich, dass die Interessen zwischen „Brüssel“ und den nationalen Regierungen einerseits sowie zwischen den Regierungen und den Regierten andererseits teilweise massiv divergieren.

Dabei sein ist alles, koste es, was es wolle

Doch zurück zu Franz von Däniken, der da todesmutig seine innersten Überzeugungen preisgab: Ihm gehe es nur um die „internationale Verantwortung“, der sich die Schweiz angeblich in der Vergangenheit nicht gestellt hat. Insbesondere in finanzieller Hinsicht zeige sich unser Land knauserig. Dass über eine Million Ausländerinnen und Ausländer hier leben und ihr Auskommen finden, verdient nach Ansicht des Diplomaten, der auf Kosten der geizigen Schweizer einen stolzen Lohn bezieht, nicht einmal Erwähnung.

Nicht nur das: von Däniken findet es sogar unanständig wenn ein Land Interessen vertritt, und wirft der Schweiz sogar vor, in dieser Hinsicht „egoistisch“ zu handeln. Ganz offensichtlich hat der Mann die vergangenen Jahre im Archiv verbracht und weder Zeitung gelesen noch sich sonst auf irgendeine Art über das Zeitgeschehen auf dem Laufenden gehalten. Sonst hätte er nämlich eine Ahnung davon, wie unzimperlich andere Länder ihre Interessen durchsetzen und sich einen Deut scheren um die Souveränität der anderen. Leute wie Franz von Däniken machen es ihnen leicht.

Immerhin, und das ist Herrn von Däniken zu verdanken, wissen wir nun, dass das mit der Interessenvertretung gar nie ernst gemeint war. Damit ist auch das letzte „Argument“ für einen EU-Beitritt entfallen.

„Äusserst despektierlich“ – Na und?

Wir sind in diesen Tagen Zeugen, wie es um die angebliche Offenheit unserer welschen Freunde bestellt ist. Nun haben auch die Städte Neuenburg, Nyon und Morges mit ihrer freiheitlichen Tradition gebrochen und die Absicht bekundet, den Aushang der umstrittenen Anti-Minarett-Plakate zu verbieten. Die Stadtregierung von Neuenburg bezeichnete die Plakate in einer Medienmitteilung als „äusserst despektierlich gegenüber der muslimischen Gemeinschaft“.

Diese Regierungen spielen sich als Gouvernanten auf. Sie betrachten sich allen Ernstes als zuständig für das Betragen der Bürgerinnen und Bürger und fühlen sich berechtigt, nach eigenem Gutdünken korrigierend einzugreifen. Daran, dass in einem Rechtsstaat für staatliches Handeln das Recht und eben nicht die Willkür oder das Empfinden der Behörden massgeblich ist, wird kein Gedanke verschwendet.

Nach Ansicht der Neuenburger Gutmenschen ist also erlaubt, was ihnen gefällt, und verboten, was ihnen missfällt. Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt aber ein ganz anderes Rechtsgut, nämlich das Recht, zu sagen, was der Regierung nicht passt. Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt das Recht, sich despektierlich, sogar äusserst despektierlich, zu äussern. Und die Behörden haben das zu tolerieren. Das ist das grossartige an der Meinungsäusserungsfreiheit. Toleranz gegenüber denjenigen, die die eigene Ansicht teilen, ist wertlos. Nur wer den Andersdenkenden Freiheit zugesteht, ist freiheitlich und tolerant.

Peinliche Plauderei unter Freunden

Wer US-Präsident, schwarz und links ist, kann Friedensnobelpreisträger werden. Für den Posten als politischer Redaktor bei unserem zwangsgebührenfinanzierten Staatsradio genügt die Qualifikation „links“. Man muss nicht einmal selbständig denken können. Das wäre dem Sichtreibenlassen im Mainstream sogar hinderlich.

In der letzten Samstagsrundschau hat Genosse DRS-Redaktor Oliver Washington in dieser Hinsicht neue Massstäbe gesetzt. Er führte ein Gespräch mit dem Baselstädter Regierungspräsidenten Guy Morin, der in epischer Länge und Breite darlegen durfte, warum in seiner Stadt der Aushang des Minaretts-Plakats verboten ist. Washington stellte nicht etwa kritische Fragen oder setzte sich als Medienschaffender für das Recht auf das freie Wort ein. Im Gegenteil, er war Stichwortgeber.

Ein intelligenter Journalist hätte beispielsweise die nahe liegende Frage gestellt, warum sich heute ausgerechnet Basel und Genf mit der Meinungsäusserungsfreiheit schwer tun. Immerhin waren diese beiden Städte einst Horte der persönlichen Freiheit. Basel blühte auf als der Buchdruck aufkam und bot Verfolgten Zuflucht und die Möglichkeit, sich publizistisch zu betätigen. In Genf fand der von den päpstlichen Häschern verfolgte brillante Denker Giordano Bruno Unterschlupf. Das alles blieb den Hörern von Radio DRS vorenthalten. Die Absicht war schliesslich eine andere: Es gilt, einen Abstimmungskampf zu gewinnen.

Klassischer kann Zensur nicht sein

Aus diesem Grund blieb selbst der hanebüchenste Unsinn, den der Grüne Basler von sich gab, unkommentiert oder wurde gar wohlwollend kommentiert. So durfte Morin beispielsweise zu Protokoll geben, es handle sich „auf keinen Fall Zensur“. Die Diskussion um das Plakat zeigt ja gerade, dass eine Diskussion stattfinde.

Der Duden definiert Zensur wie folgt: „von zuständiger, bes. staatlicher Stelle angeordnete Kontrolle von Druckwerken, Filmen, Briefen o.ä. im Hinblick auf Unerlaubte oder Unerwünschtes.“ Wäre es abwegig, von einem Journalisten zu erwarten, dass er den Gesinnungsschnüffler Morin mit dieser Definition konfrontiert? Hätte man ihn nicht fragen müssen, wie er sich zur Ansicht stelle, das von ihm verhängte Verbot sei der von ihm angeblich befürworteten Diskussion abträglich? Und würde sich nicht jede weitere Diskussion erübrigen, wenn bereits die erste Aussage in sich zusammenfallen würde? Oder ging es Herrn Washington vor allem darum, genau das zu verhindern?

Politiker richten über Politiker

Dann fabulierte Morin etwas von Güterabwägung zwischen dem Schutz der Minderheit und dem Diskriminierungsverbot und der Meinungsäusserungsfreiheit. Wobei er betonte: „Ich finde es sehr wichtig, dass die politische Meinungsäusserungsfreiheit gilt in der Schweiz, aber auch diese hat Grenzen.“ Ob es in einem Rechtsstaat angehen könne, dass ausgerechnet ein Politiker und nicht ein Richter dem politischen Gegner diese Grenzen aufzeigt, interessierte Washington nicht. Wenn es gegen die SVP geht, scheren sich die Agitatoren von Radio DRS keinen Deut um solche „Spitzfindigkeiten“. Auch die Frage, ob die Meinungsäusserungsfreiheit nicht wenigstens im Zweifelsfall höher gewichtet werden sollte, interessierte den Medienmann nicht.

Keine Drittwirkung von Grundrechten

Dabei wäre es höchst interessant, der Argumentation Morins einmal auf den Grund zu gehen. Nehmen wir dazu einmal an, es sei tatsächlich so, dass das Diskriminierungsverbot der Meinungsäusserungsfreiheit Grenzen setze. Führen wir ein Gedankenexperiment durch und nehmen wir dazu ein krasses Beispiel: Eine Frau erklärt öffentlich, dass sie unter keinen Umständen eine Beziehung mit einem Schwarzen eingehen will. Das ist eine klare Diskriminierung. Doch nicht einmal der beste Gutmensch käme auf die Idee, der Frau ihre Einstellung oder die Äusserung ihrer Meinung verbieten zu wollen, denn immerhin ist es ein höchstpersönliches Recht, darüber zu bestimmen, mit wem man sich liieren will. Und es ist nicht einzusehen, warum dies nicht auch bei jedem anderen privatrechtlichen Verhältnis so sein soll.

Es ist also unsinnig, Grundrechte auch im Verhältnis zwischen Privatpersonen anzuwenden. Diese Ansicht linker Juristen ist abzulehnen. Ganz einfach deshalb, weil diese so genannte Drittwirkung von Grundrechten zu absurden Ergebnissen führt, und weder Morin noch Washington noch andere Linke sind in der Lage eine praktikable Abgrenzung zu liefern. Es dem Staat, bzw. der Exekutive – also Politikern – zu überlassen, wann jemand seine politische Meinung frei sagen darf, oder über schwerwiegende Eingriffe in die Vertragsfreiheit zu befinden, kann und darf jedenfalls nicht die Lösung sein. Im Gegenteil, Freiheitsrechte sind wieder als das zu begreifen, was sie ursprünglich waren und sind: Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Der Staat darf nicht diskriminieren, und der Staat darf die Meinungsäusserungsfreiheit nicht einschränken. Daran ändert nichts, dass, wie Morin zu Recht ausführte, auch der Schutz der Minderheiten ein sehr hohes Gut ist. Das Recht, zu beleidigen, breit davon unberührt.

Moderator war überflüssig

Die Samstagsrundschau hätte ebenso gut ohne Moderator durchgeführt werden können, denn Oliver Washington liess selbst den grössten Unsinn Morins unkommentiert. Selbst folgende Aussage: „Als ich das Plakat gesehen habe waren meine religiösen Gefühle verletzt. Wenn man das Plakat betrachtet, so könnten es ebenso gut Kirchtürme sein.“ Nach Morins Logik wäre es zulässig, Werbung für Nahrungsmittel zu verbieten, weil es sich dabei um Drogen handeln könnte. Wer hier als Journalist nicht darauf hinweist, dass es um ein konkretes Plakat, auf dem nun einmal Minarette abgebildet sind, geht und nicht um eine Hypothese, erfüllt seinen Auftrag nicht. Morins Argumentation ist dermassen grotesk, dass die Unterlassung, ihn darauf hinzuweisen, eine Verletzung journalistischer Ethik darstellt.

Wenn Politiker inhaltlich nichts zu bieten haben, fordern sie neue regeln oder einen Kodex. Der Basler Grüne macht da keine Ausnahme: Er forderte einen Ehrenkodex darüber, was in der politischen Werbung erlaubt sein soll und was nicht. Kaum etwas ist überflüssiger als das, denn es besteht bereits eine klare Regelung: Erlaubt ist, was nicht verboten ist.

Oliver Washington vom zwangsgebührenfinanzierten Radio DRS war ganz offensichtlich überfordert. Er sollte in die Ablage versetzt werden.

Wen interessiert schon Berlusconis Sexleben?

Die echten Probleme sind so gross, dass man sich lieber mit Nichtigkeiten beschäftigt. Das ist bei uns so, und das ist in Italien so. Ob italienische Medien auch mit solcher Begeisterung über jedes Affentheater hierzulande schreiben, ist zu bezweifeln. Unsere lieben es jedenfalls, über Silvio Berlusconi zu berichten, als richteten sie sich an ein italienisches Publikum.

In Italien soll gerade ein – von medialem Sperrfeuer entfachter – Frauenaufstand gegen Berlusconi toben. Bis Sonntagnachmittag sollen 45’000 Personen eine Internet-Petition unterschrieben haben. Das sind gerade einmal 1,3 Promille der italienischen Bevölkerung oder 2,6 der weiblichen. Doch das genügt offenbar, um unsere Journaille in Verzückung zu versetzen.

Zu den Unterzeichnerinnen soll auch Schauspielerin Valeria Bruni Tedeschi, Schwester der französischen Präsidentengattin Carla Bruni Sarkozy, gehören. Ein Wort des Befremdens darüber, dass sich diese Frau, die, wie ihre Schwester, das freizügige Posieren vor der Kamera liebt, über Berlusconis „Sexismus“ empört, findet sich nirgends.

Wer sich unsere Mainstream-Medien (MSM) hält, erfährt auch nicht, dass es gar nicht um das Sexleben des „Cavaliere“ geht, sondern um eine hundskommune, ausschliesslich politisch motivierte Aktion der Linken, die sich seit Monaten an Berlusconi die Zähne ausbeisst. In diesem Zusammenhang ist auch Frau Bruni Tedeschis Engagement zu sehen. Trotz ihres Vermögens ist diese Frau nämlich der extremen Linken sehr verbunden, und es ist auch nicht die erste Petition, die sie unterschreibt. Vor genau einem Jahr intervenierte sie erfolgreich via ihre Schwester bei ihrem Schwager, dem französischen Staatspräsidenten, er möge doch bitte – unter Verletzung früherer Zusicherungen – von der Auslieferung der wegen Mordes verurteilten italienischen Terroristin Marina Petrella absehen.

Linke “Wirtschaftsförderung” oder die destruktive Kraft der Moralisten

Es ist gegenwärtig wieder einmal viel von staatlicher Wirtschaftsförderung die Rede. Die Geschichte lehrt allerdings, dass der Staat im Zerstören wesentlich effizienter ist als im Aufbauen. Wirtschaftsförderung darf nicht länger Aufgabe einer Amtsstelle sein und sich auf das Drucken von Prospekten beschränken. Die Förderung der Wirtschaft muss wieder „raison d’être“ des Gemeinwesens werden.

Der Einfluss des Staatsapparats mit seiner Bürokratie auf unser Leben ist so enorm, dass er von den meisten längst als Selbstverständlichkeit empfunden wird. Die Frage nach der Legitimation einer Institution, in unser Leben einzugreifen, wird nicht einmal mehr gestellt. Fragten die grossen Staatstheoretiker noch nach der moralischen Rechtfertigung des Staates, sind es heute der Staat, bzw. dessen Vertreterinnen und Vertreter, die moralisieren und über Gut und Schlecht befinden. War es für John Locke, der mit seinem Denken die Welt verändert und vorangebracht hat, noch klar, dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt, lässt man heutzutage der Regierung freie hand – einzig und allein weil sie Regierung ist. Dabei ist der Staatsapparat, was Freiheit und Eigentum anbelangt, längst zur grössten Bedrohung geworden.

Divergierende Interessen

Interessen und Ziele von Regierung und Regierten driften immer stärker auseinander. Wenn Regierungsvertreter erklären, das Land wolle Dieses oder Jenes, ist keineswegs sicher, dass Dieses oder Jenes dem Einzelnen bei seinem Streben nach seinem persönlichen Glück auch zu Gute kommt. Im Sprachgebrauch hat diese sich öffnende Kluft bereits ihren deutlichen Niederschlag gefunden. So etwa wenn von „Steuergeschenken“ oder so genannten PPP-Projekten die Rede ist, von Public-Private-Partnership-Projekten. In solchen Ausdrücken kommt die Abwendung von der Auffassung zum Ausdruck, dass der Staat den Bedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft zu dienen hat. Der Staat wird nicht mehr als Gemeinschaft von Individuen zur Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt empfunden, sondern als eigenständiger Organismus mit eigenem Willen, dem im Grunde alles gehört.

Die gleiche Geisteshaltung kommt zum Ausdruck, wenn Vertreter von Regierung und Verwaltung ganze Industrien als „Klumpenrisiko“ betrachten und bezeichnen. So etwa die chemische Industrie in Basel oder der Finanzplatz in Zürich, wo es Regierungsvertretern zunehmend Mühe bereitet, ihre Politik auf die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse auszurichten. Das Ziel einer permanenten Verbesserung der Rahmenbedingungen wird kurzfristigen Opportunitäten geopfert. Was zählt, ist das Image – oder das, was man für das image hält.

Die Demontage geht weiter

Von einer guten Ordnungspolitik, die für möglichst tiefe Steuern und möglichst wenig einschränkende Gesetze steht, sind wir leider weit entfernt. Die öffentlichen Haushalte drohen ausser Kontrolle zu geraten, die Verschuldung hat ein bedrohliches Ausmass angenommen, die Sozialwerke sind in einem desolaten Zustand und wichtige Industrien kämpfen ums Überleben. Gleichwohl scheint der Leidensdruck noch nicht gross genug zu sein. Über 100’000 Stimmbürger haben ein Volksbegehren der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) unterzeichnet, das ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial und besondere militärische Güter verlangt. Einer Industrie, die bereits heute nur noch ein Schatten ihrer einstigen Grösse ist, soll also vollends der Garaus gemacht werden.

Zerstören mit der Moral-Keule

Im Zerstören von ganzen Wirtschaftszweigen waren die Linken schon immer stark. Wer sich ihrem moralischen Bannstrahl ausgesetzt sieht, hat ein Problem. Auch wenn sich die Weltverbesserer in Medien und Verwaltung lediglich zum Ziel gesetzt haben, korrigierend einzugreifen. Auch beim Abzahlungskauf wollte man seinerzeit bloss etwas korrigieren. Das Resultat war ein Regelwerk, das dazu geführt hat, dass praktisch keine solchen Verträge mehr abgeschlossen werden. Oder der Haustürkauf: Weil der Gesetzgeber mündigen und urteilsfähigen Bürgern unterstellt, sie seien – im Gegensatz zur Verwaltung – nicht in der Lage, die Konsequenzen eines Kaufs auf öffentlichen Plätzen oder eben an der Haustüre richtig abzuschätzen, wurde eine seit Jahrtausenden bestehende Handelsform demoliert. Eine ganze Branche wurde abgestraft, als handelte es sich dabei um das organisierte Verbrechen schlechthin. Oder wie verhält es sich mit der Pelzindustrie? Wie viele schöne Unternehmen sind eingegangen, weil sich eine Personengruppe mit der geistigen Offenheit von Taliban, das Recht herausgenommen hat, darüber zu stimmen, was gute und schlechte Industrien sind. Im Moment ist gerade die – gleichzeitig subventionierte –Tabakindustrie im Fokus der zerstörerischen Gutmenschen. Arbeitsplätze interessieren nicht.

Dem Furor der Moralisten bereits vor Jahren zum Opfer gefallen, ist auch die Spielautomatenbranche. In Zürich musste als Kollateralschaden sogar das grossartige Cabaret „Polygon“ seine Türen schliessen, das zuvor vom Besitzer einiger Spiellokale grosszügig quersubventioniert worden war. Die gleichen Leute, die damals vorgaben, sie wollten Menschen und Familien vor dem finanziellen Ruin bewahren, haben allerdings keine Bedenken mehr, wenn Väterchen Staat abkassiert. Das hat einen handfesten Grund: Die Moralisten stehen den von ihnen angeprangerten „Heuschrecken“ nämlich in nichts nach, wenn es ums Abzocken geht. Sie holen das Geld einfach beim Staat und lassen sich für das Lösen von Problemen bezahlen, die es ohne Sie gar nicht gäbe. Im Asyl-, oder Drogenbereich, im Bildungs- und Betreuungswesen leben ganze Industrien fast ausschliesslich von Steuergeld. Ein Risiko besteht nicht. Wenn der Erfolg, was nicht überraschen kann, nicht eintritt, wird einfach nach mehr Geld gerufen. Von der Schaffung solider Arbeitsplätze kann also keine Rede sein. Besonders hirnverbrannt läuft es im Umweltbereich, wo mit gewaltigen Summen erneuerbare Energien gefördert werden. Dass sich die Arbeitsplätze, die auf diese Weise geschaffen werden, in China befinden, tut der Begeisterung unserer Gutmenschen keinen Abbruch. Man weiss schliesslich die Moral auf seiner Seite.

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Erschienen in der „Schweizerzeit“ vom 9. Oktober 2009

Linke "Wirtschaftsförderung" oder die destruktive Kraft der Moralisten

Es ist gegenwärtig wieder einmal viel von staatlicher Wirtschaftsförderung die Rede. Die Geschichte lehrt allerdings, dass der Staat im Zerstören wesentlich effizienter ist als im Aufbauen. Wirtschaftsförderung darf nicht länger Aufgabe einer Amtsstelle sein und sich auf das Drucken von Prospekten beschränken. Die Förderung der Wirtschaft muss wieder „raison d’être“ des Gemeinwesens werden.

Der Einfluss des Staatsapparats mit seiner Bürokratie auf unser Leben ist so enorm, dass er von den meisten längst als Selbstverständlichkeit empfunden wird. Die Frage nach der Legitimation einer Institution, in unser Leben einzugreifen, wird nicht einmal mehr gestellt. Fragten die grossen Staatstheoretiker noch nach der moralischen Rechtfertigung des Staates, sind es heute der Staat, bzw. dessen Vertreterinnen und Vertreter, die moralisieren und über Gut und Schlecht befinden. War es für John Locke, der mit seinem Denken die Welt verändert und vorangebracht hat, noch klar, dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt, lässt man heutzutage der Regierung freie hand – einzig und allein weil sie Regierung ist. Dabei ist der Staatsapparat, was Freiheit und Eigentum anbelangt, längst zur grössten Bedrohung geworden.

Divergierende Interessen

Interessen und Ziele von Regierung und Regierten driften immer stärker auseinander. Wenn Regierungsvertreter erklären, das Land wolle Dieses oder Jenes, ist keineswegs sicher, dass Dieses oder Jenes dem Einzelnen bei seinem Streben nach seinem persönlichen Glück auch zu Gute kommt. Im Sprachgebrauch hat diese sich öffnende Kluft bereits ihren deutlichen Niederschlag gefunden. So etwa wenn von „Steuergeschenken“ oder so genannten PPP-Projekten die Rede ist, von Public-Private-Partnership-Projekten. In solchen Ausdrücken kommt die Abwendung von der Auffassung zum Ausdruck, dass der Staat den Bedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft zu dienen hat. Der Staat wird nicht mehr als Gemeinschaft von Individuen zur Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt empfunden, sondern als eigenständiger Organismus mit eigenem Willen, dem im Grunde alles gehört.

Die gleiche Geisteshaltung kommt zum Ausdruck, wenn Vertreter von Regierung und Verwaltung ganze Industrien als „Klumpenrisiko“ betrachten und bezeichnen. So etwa die chemische Industrie in Basel oder der Finanzplatz in Zürich, wo es Regierungsvertretern zunehmend Mühe bereitet, ihre Politik auf die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse auszurichten. Das Ziel einer permanenten Verbesserung der Rahmenbedingungen wird kurzfristigen Opportunitäten geopfert. Was zählt, ist das Image – oder das, was man für das image hält.

Die Demontage geht weiter

Von einer guten Ordnungspolitik, die für möglichst tiefe Steuern und möglichst wenig einschränkende Gesetze steht, sind wir leider weit entfernt. Die öffentlichen Haushalte drohen ausser Kontrolle zu geraten, die Verschuldung hat ein bedrohliches Ausmass angenommen, die Sozialwerke sind in einem desolaten Zustand und wichtige Industrien kämpfen ums Überleben. Gleichwohl scheint der Leidensdruck noch nicht gross genug zu sein. Über 100’000 Stimmbürger haben ein Volksbegehren der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) unterzeichnet, das ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial und besondere militärische Güter verlangt. Einer Industrie, die bereits heute nur noch ein Schatten ihrer einstigen Grösse ist, soll also vollends der Garaus gemacht werden.

Zerstören mit der Moral-Keule

Im Zerstören von ganzen Wirtschaftszweigen waren die Linken schon immer stark. Wer sich ihrem moralischen Bannstrahl ausgesetzt sieht, hat ein Problem. Auch wenn sich die Weltverbesserer in Medien und Verwaltung lediglich zum Ziel gesetzt haben, korrigierend einzugreifen. Auch beim Abzahlungskauf wollte man seinerzeit bloss etwas korrigieren. Das Resultat war ein Regelwerk, das dazu geführt hat, dass praktisch keine solchen Verträge mehr abgeschlossen werden. Oder der Haustürkauf: Weil der Gesetzgeber mündigen und urteilsfähigen Bürgern unterstellt, sie seien – im Gegensatz zur Verwaltung – nicht in der Lage, die Konsequenzen eines Kaufs auf öffentlichen Plätzen oder eben an der Haustüre richtig abzuschätzen, wurde eine seit Jahrtausenden bestehende Handelsform demoliert. Eine ganze Branche wurde abgestraft, als handelte es sich dabei um das organisierte Verbrechen schlechthin. Oder wie verhält es sich mit der Pelzindustrie? Wie viele schöne Unternehmen sind eingegangen, weil sich eine Personengruppe mit der geistigen Offenheit von Taliban, das Recht herausgenommen hat, darüber zu stimmen, was gute und schlechte Industrien sind. Im Moment ist gerade die – gleichzeitig subventionierte –Tabakindustrie im Fokus der zerstörerischen Gutmenschen. Arbeitsplätze interessieren nicht.

Dem Furor der Moralisten bereits vor Jahren zum Opfer gefallen, ist auch die Spielautomatenbranche. In Zürich musste als Kollateralschaden sogar das grossartige Cabaret „Polygon“ seine Türen schliessen, das zuvor vom Besitzer einiger Spiellokale grosszügig quersubventioniert worden war. Die gleichen Leute, die damals vorgaben, sie wollten Menschen und Familien vor dem finanziellen Ruin bewahren, haben allerdings keine Bedenken mehr, wenn Väterchen Staat abkassiert. Das hat einen handfesten Grund: Die Moralisten stehen den von ihnen angeprangerten „Heuschrecken“ nämlich in nichts nach, wenn es ums Abzocken geht. Sie holen das Geld einfach beim Staat und lassen sich für das Lösen von Problemen bezahlen, die es ohne Sie gar nicht gäbe. Im Asyl-, oder Drogenbereich, im Bildungs- und Betreuungswesen leben ganze Industrien fast ausschliesslich von Steuergeld. Ein Risiko besteht nicht. Wenn der Erfolg, was nicht überraschen kann, nicht eintritt, wird einfach nach mehr Geld gerufen. Von der Schaffung solider Arbeitsplätze kann also keine Rede sein. Besonders hirnverbrannt läuft es im Umweltbereich, wo mit gewaltigen Summen erneuerbare Energien gefördert werden. Dass sich die Arbeitsplätze, die auf diese Weise geschaffen werden, in China befinden, tut der Begeisterung unserer Gutmenschen keinen Abbruch. Man weiss schliesslich die Moral auf seiner Seite.

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Erschienen in der „Schweizerzeit“ vom 9. Oktober 2009

Linke „Wirtschaftsförderung“ oder die destruktive Kraft der Moralisten

Es ist gegenwärtig wieder einmal viel von staatlicher Wirtschaftsförderung die Rede. Die Geschichte lehrt allerdings, dass der Staat im Zerstören wesentlich effizienter ist als im Aufbauen. Wirtschaftsförderung darf nicht länger Aufgabe einer Amtsstelle sein und sich auf das Drucken von Prospekten beschränken. Die Förderung der Wirtschaft muss wieder „raison d’être“ des Gemeinwesens werden.

Der Einfluss des Staatsapparats mit seiner Bürokratie auf unser Leben ist so enorm, dass er von den meisten längst als Selbstverständlichkeit empfunden wird. Die Frage nach der Legitimation einer Institution, in unser Leben einzugreifen, wird nicht einmal mehr gestellt. Fragten die grossen Staatstheoretiker noch nach der moralischen Rechtfertigung des Staates, sind es heute der Staat, bzw. dessen Vertreterinnen und Vertreter, die moralisieren und über Gut und Schlecht befinden. War es für John Locke, der mit seinem Denken die Welt verändert und vorangebracht hat, noch klar, dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt, lässt man heutzutage der Regierung freie hand – einzig und allein weil sie Regierung ist. Dabei ist der Staatsapparat, was Freiheit und Eigentum anbelangt, längst zur grössten Bedrohung geworden.

Divergierende Interessen

Interessen und Ziele von Regierung und Regierten driften immer stärker auseinander. Wenn Regierungsvertreter erklären, das Land wolle Dieses oder Jenes, ist keineswegs sicher, dass Dieses oder Jenes dem Einzelnen bei seinem Streben nach seinem persönlichen Glück auch zu Gute kommt. Im Sprachgebrauch hat diese sich öffnende Kluft bereits ihren deutlichen Niederschlag gefunden. So etwa wenn von „Steuergeschenken“ oder so genannten PPP-Projekten die Rede ist, von Public-Private-Partnership-Projekten. In solchen Ausdrücken kommt die Abwendung von der Auffassung zum Ausdruck, dass der Staat den Bedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft zu dienen hat. Der Staat wird nicht mehr als Gemeinschaft von Individuen zur Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt empfunden, sondern als eigenständiger Organismus mit eigenem Willen, dem im Grunde alles gehört.

Die gleiche Geisteshaltung kommt zum Ausdruck, wenn Vertreter von Regierung und Verwaltung ganze Industrien als „Klumpenrisiko“ betrachten und bezeichnen. So etwa die chemische Industrie in Basel oder der Finanzplatz in Zürich, wo es Regierungsvertretern zunehmend Mühe bereitet, ihre Politik auf die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse auszurichten. Das Ziel einer permanenten Verbesserung der Rahmenbedingungen wird kurzfristigen Opportunitäten geopfert. Was zählt, ist das Image – oder das, was man für das image hält.

Die Demontage geht weiter

Von einer guten Ordnungspolitik, die für möglichst tiefe Steuern und möglichst wenig einschränkende Gesetze steht, sind wir leider weit entfernt. Die öffentlichen Haushalte drohen ausser Kontrolle zu geraten, die Verschuldung hat ein bedrohliches Ausmass angenommen, die Sozialwerke sind in einem desolaten Zustand und wichtige Industrien kämpfen ums Überleben. Gleichwohl scheint der Leidensdruck noch nicht gross genug zu sein. Über 100’000 Stimmbürger haben ein Volksbegehren der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) unterzeichnet, das ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial und besondere militärische Güter verlangt. Einer Industrie, die bereits heute nur noch ein Schatten ihrer einstigen Grösse ist, soll also vollends der Garaus gemacht werden.

Zerstören mit der Moral-Keule

Im Zerstören von ganzen Wirtschaftszweigen waren die Linken schon immer stark. Wer sich ihrem moralischen Bannstrahl ausgesetzt sieht, hat ein Problem. Auch wenn sich die Weltverbesserer in Medien und Verwaltung lediglich zum Ziel gesetzt haben, korrigierend einzugreifen. Auch beim Abzahlungskauf wollte man seinerzeit bloss etwas korrigieren. Das Resultat war ein Regelwerk, das dazu geführt hat, dass praktisch keine solchen Verträge mehr abgeschlossen werden. Oder der Haustürkauf: Weil der Gesetzgeber mündigen und urteilsfähigen Bürgern unterstellt, sie seien – im Gegensatz zur Verwaltung – nicht in der Lage, die Konsequenzen eines Kaufs auf öffentlichen Plätzen oder eben an der Haustüre richtig abzuschätzen, wurde eine seit Jahrtausenden bestehende Handelsform demoliert. Eine ganze Branche wurde abgestraft, als handelte es sich dabei um das organisierte Verbrechen schlechthin. Oder wie verhält es sich mit der Pelzindustrie? Wie viele schöne Unternehmen sind eingegangen, weil sich eine Personengruppe mit der geistigen Offenheit von Taliban, das Recht herausgenommen hat, darüber zu stimmen, was gute und schlechte Industrien sind. Im Moment ist gerade die – gleichzeitig subventionierte –Tabakindustrie im Fokus der zerstörerischen Gutmenschen. Arbeitsplätze interessieren nicht.

Dem Furor der Moralisten bereits vor Jahren zum Opfer gefallen, ist auch die Spielautomatenbranche. In Zürich musste als Kollateralschaden sogar das grossartige Cabaret „Polygon“ seine Türen schliessen, das zuvor vom Besitzer einiger Spiellokale grosszügig quersubventioniert worden war. Die gleichen Leute, die damals vorgaben, sie wollten Menschen und Familien vor dem finanziellen Ruin bewahren, haben allerdings keine Bedenken mehr, wenn Väterchen Staat abkassiert. Das hat einen handfesten Grund: Die Moralisten stehen den von ihnen angeprangerten „Heuschrecken“ nämlich in nichts nach, wenn es ums Abzocken geht. Sie holen das Geld einfach beim Staat und lassen sich für das Lösen von Problemen bezahlen, die es ohne Sie gar nicht gäbe. Im Asyl-, oder Drogenbereich, im Bildungs- und Betreuungswesen leben ganze Industrien fast ausschliesslich von Steuergeld. Ein Risiko besteht nicht. Wenn der Erfolg, was nicht überraschen kann, nicht eintritt, wird einfach nach mehr Geld gerufen. Von der Schaffung solider Arbeitsplätze kann also keine Rede sein. Besonders hirnverbrannt läuft es im Umweltbereich, wo mit gewaltigen Summen erneuerbare Energien gefördert werden. Dass sich die Arbeitsplätze, die auf diese Weise geschaffen werden, in China befinden, tut der Begeisterung unserer Gutmenschen keinen Abbruch. Man weiss schliesslich die Moral auf seiner Seite.

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Erschienen in der „Schweizerzeit“ vom 9. Oktober 2009

Herrscher über „Stil und Botschaft“

Noch einer, der einst das Verbieten verbieten wollte, ist vom Paulus zum Saulus geworden: Genosse Bundesrat Moritz Leuenberger hat „alles Verständnis“ für ein Verbot des umstrittenen Plakats zur Anti-Minarett-Initiative. Es gehe aber um die alte Frage, wie eine liberale Gesellschaft mit einer intoleranten Strömung umgehe.

Hin und wieder die Bundesverfassung zur Hand zu nehmen, würde Moritz Leuenberger gut anstehen. Dort findet sich nämlich in Artikel 5 der Satz, dass „Grundlage und Schranke staatlichen Handelns“ das Recht sei. Mit anderen Worten: Wofür ein Bundesrat Verständnis hat oder wofür er kein Verständnis hat, ist vollkommen irrelevant. Massgeblich ist das Recht. Und diese Bestimmung hat genau den Zweck, zu verhindern, dass unsere Freiheit von Launen unserer Exekutivpolitiker abhängt. Sie setzt dem Absolutismus Schranken und zwingt zur Beachtung der Gesetze. Im Falle der Meinungsäusserungsfreiheit ist die Sache sogar sehr simpel. Sie darf nur eingeschränkt werden, wenn ansonsten eine – konkrete – Gefährdung des Staates droht, etwa in Kriegszeiten. Bloss die Hosen voll zu haben, genügt nicht.

So zumindest sollte es in einer liberalen – ich bevorzuge den Begriff „freiheitlichen“ – Gesellschaft sein. Leuenberger behauptet zwar, es gehe ihm darum, diese vor intoleranten Strömungen zu schützen, doch denkt er dabei an die Falschen. Sind diejenigen, die auf demokratischem Weg für ihre Freiheit einstehen, intolerant? Oder sind diejenigen die Toleranten, die Botschaften stürmen, Menschen bedrohen und umbringen, weil sie sich wegen einiger Karikaturen beleidigt fühlen?

Als Politiker verfolgt Moritz Leuenberger natürlich eine politische Agenda. Ist es tatsächlich nur sein glühender Anti-Amerikanismus, der ihn dazu veranlasst, die Errungenschaften der Aufklärung über Bord zu werfen? Oder ist es tatsächlich die Angst vor islamistischem Terrorismus?

Noch wesentlich schwerwiegender ist allerdings, was im Tages-Anzeiger von heute zu lesen ist: Da unterhält sich Silvio Temperli mit der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch darüber, dass es der Stadtrat soeben abgelehnt hat, das Plakat zu verbieten. Frau Mauch machte jedoch klar, dass sie sowohl die initiative als auch das Plakat selbst ablehnt. Darauf Temperli: „Wenn sie Stil und Botschaft des Plakats ablehnen, müssten sie es konsequenterweise verbieten.“ Weiter wirft er der Stadtpräsidentin vor, die Gelegenheit verpasst zu haben, „ein Zeichen zu setzen“. Im gleichen Blatt, das Silvio Berlusconi praktisch täglich vorwirft, seine Medienmacht zu missbrauchen, wird ein obrigkeitliches Machtwort gefordert. Unglaublich!

Man stelle sich einmal vor, jemand aus der SVP würde fordern, Auftritte von Marthaler, Schlingensief oder Hirschhorn zu verbieten, weil deren „Stil und Botschaft“ nicht gefällt. – Das sollte reichen um zu zeigen, wie unreflektiert, ja debil Temperlis Aussage ist. Ein Journalist, der keinen Sinn für die Bedeutung des freien Wortes und Ausdrucks hat, hat seinen Beruf verfehlt.

Unerträgliche Selbst-Zensur

Die Antirassismusgesetzgebung war von Anfang an als Waffe gegen den politischen Gegner konzipiert, und genau so wird sie nun eingesetzt. Dass jemand wie Georg Kreis das neue Abstimmungsplakat der SVP kritisiert, kann darum nicht überraschen. Der Mann hat sich sein Leben lang der herrschenden Kaste angedient und selbstständiges Denken durch politisch korrekte Phrasendrescherei ersetzt.

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Georg Kreis und seine Zensurbehörde sind nur Lakaien im Dienste staatlicher Gesinnungsschnüffelei, wie man sie sonst nur in totalitären Systemen antrifft. Zum Beispiel in Saudi-Arabien, das Kreis vor den Angriffen der SVP in Schutz nimmt, und das er vermutlich um die Kompetenzen seiner Religionspolizei (motawa’s) beneidet. Schon für das öffentliche Tragen eines Kreuzes drohen dort massiven Strafen. Die Swissair durfte wegen des Schweizerkreuzes am Heckruder nicht landen. Das EDA führt in seien Reisehinweisen zu dem Land Folgendes aus: „Verboten sind unter anderem die Beleidigung des Islam sowie der politischen und religiösen Führung, das Fotografieren von Regierungsgebäuden und militärischen Einrichtungen, Einfuhr, Besitz, Handel und Konsum von alkoholischen Getränken sowie aussereheliche und gleichgeschlechtliche Beziehungen. Frauen ist das Lenken eines Fahrzeugs untersagt. Zuwiderhandlungen werden streng bestraft (Gefängnis, Stockschläge etc.). Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz werden schon bei geringsten Mengen und bei jeder Art von Drogen mit langjährigen Gefängnisstrafen geahndet. Es kann selbst die Todesstrafe verhängt werden. Die Haftbedingungen sind bedeutend härter als in der Schweiz.“

Man kann Georg Kreis nicht einmal verübeln, dass er sich zum Richter über die freie Meinungsäusserung emporgeschwungen hat. Genau wie ein Pyromane mit den Streichhölzern, die man ihm in die Hand gedrückt hat, ein Haus anzündet, wüten Kreis und seine Kommission mit den gesetzlichen Kompetenzen, die ihm in einer Volksabstimmung zugestanden wurden. Allerdings führte der Bundesrat 1994 in den Abstimmungserläuterungen aus: „Das Recht auf freie Meinungsäusserung bleibt selbstverständlich gewährleistet. Blosse Gesinnungen oder private Äusserungen sind keinesfalls verboten.“ Dass man bundesrätliche Beteuerungen vor Tisch anders liest, ist seit der EWR-Abstimmung leider der Normalfall.

Solange Georg Kreis noch keine öffentlichen Verbrennungen durchführen darf, braucht man ihn nicht weiter zu beachten. Weit schwerwiegender als sein Gerede ist die Selbstzensur, der sich ein Teil unserer Medienschaffenden freiwillig unterwirft. Das ist überraschend, denn diese Branche lebt von der Freiheit, und sie sollte sich hüten, diese als staatlichen Gnadenakt zu betrachten. Freiheit erhält man nicht geschenkt. Für seine Freiheit muss man täglich einstehen. Anderer Meinung ist scheinbar Tages-Anzeiger Co-Chefredaktor Res Strehle, der im Chor mit Georg Kreis ein Verbot des besagten SVP-Plakats fordert. Man kann kaum glauben, dass der Mann einst durch die Strassen zog und das Verbieten verbieten wollte. Offensichtlich braucht es wenig Macht, um sich davon korrumpieren zu lassen.

Am Busen der Regierung

Wer in der Schule aufgepasst hat, weiss, dass die Staatsmacht in drei Gewalten aufgeteilt ist. Dieses System, das sich als überlegen erwiesen hat, könnte simpler nicht sein: Die Legislative bestimmt, was die Exekutive umzusetzen hat, und die Gerichte wachen über die Einhaltung der von der Legislative beschlossenen Gesetze.

Der Theorie nach ist also die Legislative die dominierende Gewalt. In der Realität ist es allerdings die Exekutive – aufgrund ihres Informationsvorsprungs. Das ändert jedoch nichts an der verfassungsmässigen und vom Bürger einklagbaren Aufgabenteilung. Aus diesem Grund sollten sich Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive in Abstimmungskämpfen äusserste Zurückhaltung auferlegen. Als man zur politischen Kultur noch sorge trug, war dies eine Selbstverständlichkeit. Denn wie soll eine Regierung einen Beschluss des Stimmvolkes glaubwürdig umsetzen, den sie zuvor im Abstimmungskampf bekämpft hat? Aus den Erfahrungen der EWR-Abstimmung wissen wir jedenfalls, dass dieser Entscheid von Volk und Ständen nie wirklich akzeptiert worden ist. Auch nach bald 20 Jahren betreiben Regierung und Verwaltung dagegen Obstruktion.

In diesen Tagen erreichte mich ein Schreiben des Zürcher Komitees gegen Exportverbote zur Bekämpfung der GSoA-Initiative, die ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial und besondere militärische Güter in der Bundesverfassung festschreiben will. Als Erstunterzeichnerin firmiert die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer, die einem solchen Abstimmungskomitee nicht beitreten sollte. Im Kanton Zürich gibt es nämlich auch Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die das Volksbegehren unterzeichnet haben oder ihm an der Urne zustimmen werden. Und Rita Fuhrer ist Regierungsrätinnen aller Zürcherinnen und Zürcher und sollte sich darum neutral verhalten. Dass sie diesen GSoA-Schwachsinn jedoch aus innerster Überzeugung ablehnt ist richtig und verständlich. Von einer SVP-Politikerin erwarte ich nichts anderes.

Auch die Vorsteherin des eidg. Volkswirtschaftsdepartements, Doris Leuthard, wird gegen die Initiative antreten. Sie wird am 26 Oktober im Hotel Marriott als „Keynote-Speakerin“ auftreten, da „Hauptrednerin“ offenbar zu wenig glamourös ist. Frau Leuthard wird ex cathedra sagen, was Sache ist, danach darf auf einem Podium etwas gestritten werden. Bedenklich ist, dass sich Politiker aus allen Lagern sowie Verbandsvertreter dies gefallen lassen. Wir brauchen eine Regierung, damit Schulen und Spitäler funktionieren, damit wir fliessend Wasser und Strom haben. Wir brauchen jedoch keine Regierung, damit wir wissen, was wir zu denken, bzw. wie wir abzustimmen haben.

Abstimmungskämpfe sollen von den Parteien, den Verbänden und der Wirtschaft geführt werden. Im konkreten Fall ist es Aufgabe der einst starken Rüstungsindustrie, für ihre Anliegen einzustehen. Doch wo sind diese? Wo bleibt beispielsweise die SIG, die bevor sie Milchpackungen herstellte, der Schweizerarmee Sturmgewehre lieferte? Bleibt am Ende alles an der bundeseigenen RUAG hängen?

Der Gruppe „Sicherheits- und Wehrtechnik“ des Branchenverbands Swissmem gehören 44 Unternehmen an. Es ist an ihnen, sich für ihre – legitimen – Interessen einzusetzen. Interessenvertretung ist nichts Unanständiges. Niemand wird sich wundern, dass die Initiative der Armeeabschaffer dieser Branche ein Dorn im Auge ist. Wenn sie sich aber auf die Unterstützung durch die Exekutive verlässt, wird sie sich eines Tages die Augen reiben, denn die Hilfe der Regierung ist weder selbstlos noch gratis. Das war sie nie, und das wird sie nie sein. Höhere Steuern und neue Auflagen, die als Kompromisse angepriesen werden, sind so sicher wie das Amen in der Kirche.