Mit der Milchkuh zur Schlachtbank? Überlegungen zum Auslandgeschäft der kantonalzürcherischen Regiebetriebe von Kantonsrat Hans-Peter Amrein

Ein begründeter, latenter Vertrauensverlust der Bürger in Politik und (Finanz-) Wirtschaft ist auch im Kanton Zürich virulent. Umso wichtiger ist eine grundsolide und umsichtige Führung der kantonalzürcherischen Regiebetriebe, allen voran der Zürcher Kantonalbank (ZKB), der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) sowie der AXPO (an welcher der Kanton Zürich eine massgebliche Beteiligung hält). Von risikoreichen Investitionen und Abendteuer im Ausland ist abzusehen.

Leider zielt die Strategie der diese Betriebe leitenden- und den Bürgern und Steuerzahlern dienenden Angestellten und Verwaltungsräte derzeit genau in die entgegengesetzte Richtung. Das eine solche Strategie eher früher als später zu negativen Geschäftsergebnissen und massiven Kapitalverlusten führen dürfte, für welche Ultima Ratio die Steuerzahler gerade stehen, ist voraussehbar.

In der Schweiz haben in der Vergangenheit – wenn überhaupt – nur wenige Staatsbetriebe innerhalb eines staatlich regulierten und geschützten Umfeldes (Energie und Transport) über einen längeren Zeitraum mehr oder weniger nachhaltig gewirtschaftet. Im Ausland dagegen haben fast alle früher oder später Schiffbruch erlitten. Analogien finden sich bei den Schweizerischen Grossbanken und ihren Auslandabenteuer in den Vereinigten Staaten und im internationalen Investment-Banking.

Zürcher Kantonalbank (ZKB): „Schuster bleib bei Deinen Leisten“

Die im Besitz des Kantons Zürich (100% Staatsgarantie) befindliche und sich als Universalbank positionierende ZKB hat heute eine Grösse erreicht (2011: Bilanzsumme 134 Milliarden Franken; Ausleihungen 74 Milliarden, Hypothekarforderungen 65 Milliarden; 5000 Mitarbeiter, 102 Geschäftsstellen), welche die geltenden Kontrollmechanismen des Zürcher Kantonsrates strapaziert und für Kanton und Steuerzahler, insbesondere durch das Investment-Banking und das überproportionale Hypothekargeschäft, ein grosses Klumpenrisiko darstellt. Geht eine Staatsbank (mit stolzem AAA-Rating) eines überaus vermögenden Kleinstaates, respektive des grössten Kantons und Wirtschaftsmotors dieses Staates, im Ausland Engagements ein, so werden Staat und Bank(en) unweigerlich erpressbar.

In einem Umfeld, in welchem zurzeit mehrere europäische Staaten, innerhalb deren Hoheitsgebiet unsere Staatsbank tätig ist oder war, einer andauernden und gravierenden Wirtschaftskrise ausgesetzt sind, werden diese Staaten mit allen Mitteln versuchen, die eigene Staatskassen aufzudotieren und den eigenen Finanzplatz und dessen Arbeitsplätze zu verteidigen. Dies hat die ZKB derzeit auch aufgrund in der Vergangenheit getätigter, unerlaubter akquisitorischer Handlungen in den Vereinigten Staaten von Amerika zu gewärtigen.

Eine Busse und Kosten in zwei- oder sogar dreistelligem Millionenbetrag erscheinen unausweichlich. Spätestens anlässlich der Rechnungslegung 2012 muss die Leitung der Bank Farbe bekennen und die entsprechenden Rückstellungen offenlegen. Sie muss dann auch explizit darlegen, ob noch weitere „Überraschungen“ mit Bezug auf nicht autorisierte Handlungen im In- oder Ausland zu erwarten sind? Weitere (erpresserische) Forderungen aus dem EU-Raum und von Seiten multinationaler Organisationen sind nicht auszuschliessen. Nachdem die ZKB im vergangene Jahr mutmasslich eine grosse Menge von Kundendaten an die USA geliefert hat, was einem Verstoss gegen das in unserem Lande geltende Bankgeheimnis gleichkäme, sind zusätzlich langwierige und kostspielige Rechtshändel nicht auszuschliessen.

Das Engagement in Österreich (Zürcher Kantonalbank Österreich, vormals Privatinvest Bank AG/PIAG, Salzburg und Wien) ist vor dem Hintergrund des veränderten Privatkundengeschäftes und der fehlenden Kompetenz im österreichischen und europäischen Firmenkundengeschäft als fragwürdig zu qualifizieren, auch im Wissen, dass in Österreich keine schweizerische Bank (auch nicht die Grossbanken) in der Vergangenheit, über einen längeren Zeitraum hinweg, profitabel gearbeitet hat.

Nicht wenige Zürcher Gemeinden haben sich in den vergangenen Jahren auf die regelmässig eintreffenden, jährlichen Zahlungen der ZKB verlassen und diese Zahlungen stellten in vielen Gemeindebudgets einen integrierten Bestandteil dar. Für das Geschäftsjahr 2011 hat die ZKB insgesamt 377 Millionen Franken an Gemeinden und Kanton ausgeschüttet.

Wird die Staatsbank diese Zahlungen auch in den nächsten Jahren problemlos leisten können oder gebieten exogene Faktoren in absehbarer Zukunft deren Einstellung? Und kommt es aufgrund solcher Faktoren, wie aktuell vom Bankrat dem Kantonsrat beantragt, oder in Zukunft aufgrund eines worst-case-scenario, bei der ZKB zu einem Kapitaleinschussbedarf, muss die Frage aufgeworfen werden, ob die jahrelang „gefütterten“ Gemeinden nicht auch in die (Einschuss-) Plicht genommen werden oder ob Kanton und Steuerzahler alleine für die Erhöhung des Dotationskapitals gerade stehen müssen?

Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ): Transparenz und Abkehr von Abenteuer

Mit der Aufgabe der Eltop-Läden – nach einem noch in den Vorjahren durchgeführten, teuren Umbauprogramm – hat dieses Staatsunternehmen im letzten Geschäftsjahr einen grösseren, einstelligen Millionenbetrag in den Sand gesetzt. Auch dieser Regiebetrieb investiert im Ausland. Neben der Mehrheitsbeteiligung an einem Windpark in Frankreich (Ternois Sud), einer Minderheitsbeteiligung an einem solarthermischen Kraftwerk in Spanien (Puerto Errado 2), verfolgt die EKZ, via die Beteiligungsgesellschaft Terravent AG,  im Verbund mit vier weiteren schweizerischen Energieversorgern, weitere Investitionen im Ausland. Über die Kooperation HelveticWind sind weitere Interessen gebündelt.

Die Auslandengagements der EKZ werden  über eine schweizerischen Beteiligungsgesellschaft und 100%-ige Tochtergesellschaft, die EKZ Renewables AG, gesteuert. Wie der Name es schon sagt, handelt es sich hier vor allem um ideologisch bedingte Investitionen, welche nicht (nur) betriebswirtschaftlichen Grundsätzen der Investitionspolitik unterworfen werden. Die rund 400 Millionen Franken, welche die EKZ gemäss ihrer Strategie in den nächsten Jahren in erneuerbare Energien investieren wollen, sind auch deshalb zu hinterfragen.

Der kürzlich von der EKZ Renewables AG übernommenen Windpark Neu Kosenow II im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist in diesem Zusammenhang genauer unter die Lupe zu nehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso in unserem nördlichen Nachbarland kein öffentlich-rechtliches oder privates Unternehmen, vor dem Hintergrund des von der Politik verordneten Ausstieges aus der Kernenergie, diesen Windpark gekauft hat, verspräche die Investition ein gutes Geschäft zu werden. Das über den Kaufpreis mit den Verkäufern vereinbarte „Stillschweigen“ macht das Ganze noch etwas obskurer.

AXPO: abgeklärte Strategie oder unvermeidliche Abschreiber nach selbstüberhebenden Planungen?

Der Kanton Zürich und die EKZ halten gemeinsam 36.752 % an der Axpo Holding AG, welche wiederum, via Axpo Trading, 21.4 % am in Italien aktiv investierenden, bündnerischen Stromversorger Repower hält. Der Kanton Zürich ist im Axpo-Verwaltungsrat durch zwei Regierungsräte (Bau- und Justizdirektoren) vertreten.

Mit der Umfirmierung der EGL in die Axpo Handels und Vertrieb im Oktober 2012 wurde auch der substantielle und nicht risikolose Derivatehandel der EGL übernommen und das Derivate und Handels-Geschäft personell redimensioniert und strukturell neu aufgebaut.  Die Unternehmens-Kommunikation über die eingegangenen Kontrakt-Volumina und Risiken muss als dürftig bezeichnet werden und lässt Fragen zu Risiko und Abschreibungsbedarf offen.

Mit ihrer Anfrage KR 319/2012 „Steuergelder für die ehrenwerte Gesellschaft und eine CO2-Schleuder“ stellen der Verfasser dieses Aufsatzes und Frau KR Gabi Petri (Grüne) die geplante Investition von rund 1.5 Milliarden Franken der Repower, und somit auch indirekt der Axpo, an einem Kohlekraftwerk in Kalabrien in Frage. Eine Antwort des Regierungsrates steht noch aus. In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass die Axpo mit Rechnung 2012 rund 65 Millionen Franken auf der aus dem italienischen EGL-Investitionsportefeuille zur Axpo transferierten Beteiligung an einem Gas-Kombikraftwerk in Ferrara/Italien abgeschrieben hat. Begründung: „Überkapazitäten“!

Es ist zu hoffen, dass sich die Italien-Aktivitäten der Axpo und der ehemaligen EGL nicht auch – wie im Falle weiterer schweizerischer Unternehmen (Beispiel Swisscom und Milliardenabschreiber 2011 an deren Tochter Fastweb s.p.a) – zu einer Büchse der Pandora entwickeln. Unverständlich ist in diesem Zusammenhang auch die offensichtliche Sorg- und Tatenlosigkeit der Axpo-Verantwortlichen betreffend des durch Repower (21.4 % Axpo-Beteiligung) geplanten Kraftwerkbaus in Süditalien und mit Bezug auf die weiteren Auslandinvestitionen dieser Gruppe zu titulieren.

Das Filetstück der  Expansions-Pläne und künftigen Auslandinvestitionen der Axpo betrifft deren Erdgasgeschäft und die mit zwei Partnerfirmen (Statoil und Eon) geplante Pipeline (Trans-Adriatic Pipeline, TAP), welche Gasfelder in Aserbeidschan mit Europa verbinden sollen. Das Konsortium firmiert gleichnamig mit Sitz in Baar. Die Pipeline soll von Shah Deniz, ein paar Hundert Kilometer südlich von Baku, in Aserbaidschan, quer durch den so friedlichen Kaukasus, die Türkei, Bulgarien und Albanien, durch das Mittelmeer (Strasse von Otranto) nach Italien führen. Am Projekt ist die Axpo mit 42.5 % beteiligt. Sie will dieses Engagement bei erfolgreichem Zuschlag aber auf eine-, gemäss CEO Heinz Karrer, „überblickbare Beteiligung“ reduzieren. Erhalten Axpo, Statoil und Eon den Zuschlag, so darf – zumindest kurzfristig – Bingo jubiliert werden. Kommt das Konkurrenzkonsortium Nabucco (mit österreichischen-, ungarischen-, rumänischen- und bulgarischen Konsorten) zum Zug, so ist ein Abschreiber in einem hohen, zweistelligen Millionenbetrag (CEO Karrer) zu gewärtigen.

Fazit

Alle drei zürcherischen Regieunternehmen sind in den vergangenen Jahren grosse und teilweise unnötige oder unsinnige Risiken eingegangen Nicht minder dringlich ist eine generelle, rigide Risikoanalyse, insbesondere auch der (neuen) Tochterfirmen aller Regiebetriebe, ob in den Unternehmensrechnungen konsolidiert oder nicht spielt keine Rolle.

Zur ZKB: Die Aufsichtsorgane sind gefordert. Die verfolgen Strategien mit hohen Risiken sind zu hinterfragen. Bei der ZKB, der wohl zurzeit latenteste Risikoposition im Beteiligungs-Portefeuille des Kantons, sind die Aufsichtsorgane und allen voran der Zürcher Kantonsrat, via seine beiden Aufsichts-Kommissionen AWU (Aufsichts-Kommission über die wirtschaftlichen Unternehmungen des Kantons Zürich) und die FIKO  (Finanzkommission  des Zürcher Kantonsrates), in der Pflicht.

Ob die Einsetzung einer PUK (Parlamentarischen Untersuchungskommission) ZKB zu den Vorgängen in den USA und der Herausgabe von Kundendaten an ausländische Behörden nötig wird, müssen die beiden Kommissionen und ihre Mitglieder in den nächsten Wochen und Monaten ergründen.

Die Debatte über die Formierung einer speziellen kantonsrätlichen Kommission, welche sich ausschliesslich mit der Risikoanalyse und daraus folgernd mit der  (nötigen) Neudefinition der Aussichtsfunktionen und der Neuformulierung des Auftrages der Bank und an die verschiedenen Aufsichtsorgane beschäftigt, muss geführt werden! Von einer geographischen „Risikodiversifikation“ und der entsprechenden Neuformulierung von   § 8 des Kantonalbankgesetzes, wie vom Bankrat gefordert, ist vor Klärung dieser Fragen abzusehen.

Vor dem Hintergrund der vom Bankrat der ZKB geforderten Erhöhung des Dotationskapitals um 2 Milliarden Franken und der im Rahmen der angestrebten Revision des Kantonalbankgesetzes geforderten Schaffung von Partizipationskapital (Ausgabe von Partipizationsscheinen) darf auch eine (Teil-) Privatisierung und die Abschaffung der gemäss Ansicht des Schreibenden nicht mehr zeitgemässen Staatsgarantie der ZKB kein Tabuthema bleiben.

Hans-Peter Amrein, Küsnacht
Der Autor ist Mitglied des Zürcher Kantonsrats (SVP)