Archiv der Kategorie: Staat und Demokratie

Wer entscheidet, soll auch haften

Georg Soros redet einer stärkeren Regulierung und Kontrolle der globalen Finanzmärkte das Wort. Das erstaunt. Immerhin drängte er als Devisenspekulant das europäische Währungssystem im September 1992 an den Rand des Zusammenbruchs und verdiente so in einer Nacht über eine Milliarde Dollar. Und 1997 soll er mit einer ähnlichen Wette Zusammenbruch der malayischen Währung, was wiederum die Asienkrise auslöste. Wahrlich ein Menschenfreund.

 

Auch Bundesrat Leuenberger fordert, nachdem sich seine Begeisterung über den angeblichen Bankrott des Kapitalismus gelegt hat, stärkere Regulierung und staatliche Kontrollen. Das erstaunt nicht. Als in der Wolle gefärbter Sozialist will er den Nanny-Staat, der in sämtliche Lebensbereiche der Menschen vordringt und Regeln aufstellt, deren Beachtung von einer immer grösser werdenden Verwaltung zu kontrollieren ist. Was nicht in sein Weltbild passt, soll gesetzlich „korrigiert“ werden. Dabei werden für den öffentlichen und den verbliebenen privaten Sektor höchst unterschiedliche Massstäbe verwendet: Für seine Verhältnisse geradezu leidenschaftlich geisselt Leuenberger die „Bonus-Mentalität“ und die Bezüge einiger so genannter Spitzenmanager. Dass hingegen ein Verwaltungsratspräsident des Staatsbetriebs SBB für eine Halbtagsanstellung praktisch ein Bundesratsalär einstreicht, stört ihn nicht im Geringsten, schliesslich wird der Posten von einem Parteikollegen gehalten.

 

Leuenberger ist Inbegriff des Versagens staatlicher Aufsicht

Dass staatliche Aufsicht bessere Resultate liefert als die Korrektive des freien Marktes, lässt sich nicht belegen. Das weiss Moritz Leuenberger genau – aus eigener Erfahrung. Wegen Schlendrians in Bereichen, für die Genosse Leuenberger verantwortlich zeichnet, waren sogar wiederholt Tote zu beklagen. Nicht ganz so schwerwiegende Folgen hatten die Versäumnisse des ihm unterstellten Bundesamts für Zivilluftfahrt. Dieses hätte nämlich die Aufgabe gehabt, die Liquidität der Swissair zu überprüfen. Also genau das, was Leuenberger nun mit Blick auf die Finanzmärkte fordert, hätte er im konkreten Fall tun müssen. Er tat es nicht. Der Rest ist Geschichte.

 

Nicht nur in der Schweiz, auch im Ausland versagt der Staatsapparat am Laufmeter. Was beispielsweise die hochgepriesene Börsenaufsicht SEC in Fällen wie „Enron“ oder „Maddof“ geboten hat, spottet jeder Beschreibung. Selbst konkreteste Hinweise und Berichte über Missstände wurden in den wind geschlagen. Ihre Zähne zeigt die SEC hingegen gegenüber der UBS – weil es politisch opportun ist. Damit sind wir beim Kern des Problems angelangt: Warum soll jemand seiner Kontroll- und Aufsichtspflicht gewissenhaft nachkommen, wenn er keinerlei Konsequenzen zu gewärtigen hat? Warum soll er gewissenhaft arbeiten, wenn es dafür weder im Negativen noch im Positiven Anreize gibt? Bloss weil man sein Gehalt dem Steuerzahler zu verdanken hat?

 

Es gibt nur ein Mittel, Menschen zu verantwortungsvollem Handeln zu zwingen: Sie müssen die Folgen ihres Tuns am eigenen Leib, bzw. im eigenen Portemonnaie spüren. Dies führt automatisch zu einer realistischen Risikobeurteilung und erfüllt den Begriff „Verantwortung“ wieder mit Sinn.

Demokratie à la carte

Endlich ist es soweit! Für morgen ist „das Volk“ an die Urnen gerufen. Dann werden wir es wissen – zumindest, dass wir nichts Genaues wissen. Sicher ist allerdings jetzt schon, dass in den Kommentaren jede beliebige Interpretation Platz finden wird. Will tatsächlich eine Mehrheit Türen und Sozialwerke für Bulgaren und Rumänen öffnen? Herrscht bloss Sorge um den Fortbestand der restlichen „Bilateralen“, oder sollen diese am Ende gar aufgekündigt werden? Wir werden es nie genau wissen. Eine unselige Verknüpfung zweier Vorlagen verhindert eine unverfälschte Willenskundgabe.

Noch vor wenigen Jahren waren wir Schweizer stolz darauf, in einem Land zu leben, in dem „das Volk“ das Sagen hat. Wir waren uns durchaus bewusst, dass man hierzulande auf demokratischen Weg eine Monarchie oder gar eine Diktatur einrichten könnte. Doch wir vertrauten darauf, dass es in einer funktionierenden Demokratie, in der sich jeder so verhält wie man selbst, nie so weit kommt, weil sich Extreme gegenseitig aufheben und auf diese Weise eine Tendenz zum Ausgleich besteht. Aber stets war klar: Das Volk ist der Souverän, es hat das letzte Wort.

Damit scheint es vorbei zu sein: Immer häufiger werden Volksentscheide interpretiert und nach Belieben ausgelegt. Das Bundesgericht, das es nur gibt, weil es das Schweizervolk so will, hat sich in einem eigentlichen Richterputsch sogar das Recht herausgenommen, politisch unliebsame Volksentscheide aufzuheben. Die „oberste rechtsprechende Behörde des Bundes“ erhob sich selbst zum Supervisor und Lenker der Demokratie. Um diesen Titel kämpfen allerdings auch noch andere: So verweigerte eine parlamentarische Kommission, die nichts anderes zu tun gehabt hätte, als die vom Souverän angenommene „Verwahrungsinitiative“ in geltendes Gesetzesrecht umzusetzen, glatt ihren Auftrag. Angeblich wegen Unvereinbarkeit mit dem Völkerrecht. Tatsächlich stiessen sich der grüne Kommissionspräsident und einige andere linken Zeloten am Inhalt. Ich warte gespannt darauf, wie sich die gleichen Leute verhalten werden, wenn gegen die „Offroader-Initiative“ völkerrechtliche Bedenken ins Feld geführt werden, etwa wegen Verstosses gegen WTO-Bestimmungen.

Leider findet auch der Bundesrat immer mehr Gefallen an dieser „Demokratie à la carte“. Nur als Behörde zu leiten und zu vollziehen, wie es die Bundesverfassung vorsieht, genügt den ambitionierten Damen und Herren nicht mehr. Demokratie wird da rasch als hinderlich empfunden. Erst recht, wenn man mit ansehen muss, dass es im Ausland auch ohne Volksentscheide geht. Doch genau wie Cäsar seinerzeit der Republik nicht offen den Kampf ansagte, sondern sie unter Wahrung der Form zur Folklore machte, hält der Bundesrat noch an der Tradition fest, die Schweizerinnen und Schweizer regelmässig zur Urne zu rufen.

Das Entscheidende an einer Demokratie ist jedoch nicht, dass Abstimmungen durchgeführt werden, sondern dass sich die Minderheit der obsiegenden Mehrheit zu fügen hat. Und genau damit bekundet unsere Landesregierung Mühe. Bloss um einer drohenden Niederlage zu entgehen, wurde die auf den 17. Mai 2009 angesetzte Abstimmung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der IV auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Ein unerhörtes Ereignis!

Wer in einer Demokratie nicht bereit ist, auch Niederlagen, die nicht ausbleiben können, einzustecken, ist ein schlechter Demokrat. Und schlechte Demokraten sind eine Gefahr für die Demokratie.

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Erschienen in der Berner Zeitung vom 7. Februar 2009

Kein Grund mehr, ja zu sagen

Der laufende Abstimmungskampf über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien erinnert in Vielem an denjenigen um den EWR-Beitritt: Es stehen sich die gleichen Gegner gegenüber, und die Befürworter verwenden die gleichen Argumente. Höchste Zeit zu erwähnen, dass keines der seinerzeit von den EWR-Befürwortern prophezeiten Schreckensszenarien Wahrheit geworden ist.

 

Was den aktuellen Abstimmungskampf angeht, so konnten die „Freunde der EU“ tatsächlich eine zeitlang etwas ins Feld führen, was als Argument für ein Ja betrachtet werden kann. Die Aussicht, dass bei einer Ablehnung der am 8. Februar zur Abstimmung gelangenden Vorlage, von der EU sämtliche bilateralen Verträge aufgekündigt würden, hat abschreckendes Potential. Ein „Zurück-auf-Feld-1“ kann niemand ernsthaft wollen.

 

Nun hat ausgerechnet EU-Botschafter Reiterer – also der offizielle Vertreter Brüssels in der Schweiz – klar gestellt, dass die EU der Schweiz in keiner Weise drohe. Diese im Abstimmungskampf erhobene Behauptung sei völlig falsch. Weiter sagte er, die Schweiz sei frei zu entscheiden, allenfalls die bilateralen Verträge innert sechs Monaten zu kündigen. Von sich aus werde die EU nichts unternehmen, sondern davon ausgehen, dass die Schweiz die Verträge weiter einhalten werde.

 

Damit ist das zentrale Argument der Ja-Sager implodiert. Wir können also getrost nein sagen.

 

Kirchenbesetzung – höhere Schule der PR


Kirchenbesetzungen durch so genannte Sans-papiers sind zum festen Bestandteil linker Folklore geworden. Wie die Randale am 1. Mai dienen sie der Verhöhnung und damit der Demontage unsers Rechtsstaats. Die Organisatoren verstehen ihr Handwerk. Es fehlt an nichts. Weder an knackigen Forderungen und Parolen noch an einer Hotline für Journalisten. Auch bei der Wahl der „Location“ und des Zeitpunkts wird generalstabsmässig vorgegangen. Bevorzugt werden Kirchen in Kantonen mit einer schwachen Regierung. Warum zur Weihnachtszeit? Die Bürger sollen sich vorkommen wie die hartherzigen Wirte, die Maria und Joseph einen Platz in der Herberge verwehrten. Die Heilige Familie als Sans-papiers? Das ist höhere Schule der PR.

Es verwundert nicht, dass die Bewegung ihren Anfang im linken Basel nahm. Dort ist man offen man für Forderungen wie „kollektive Regularisierung“, „Gleichbehandlung aller in der Schweiz lebenden Menschen“ und „Ausschaffungsstopp“. Nächste Etappe auf der „tour des églises“ war die Waadt, wo im Dezember 2004 die Valentins-Basilika besetzt wurde. Mit der Verfügung eines Ausschaffungsmoratoriums erbrachten die Behörden zuvor den Tatbeweis, dass sie sich pflichtwidrig weigern, geltendes Recht durchzusetzen. Den betroffenen Personen erwies man damit freilich einen Bärendienst, denn am Ende erschwert sich bloss die Situation für alle Beteiligten. Nach vielen Jahren ist eine Ausweisung in der Regel tatsächlich unmenschlich. Umso mehr gilt es zu verhindern, dass die Aufenthaltsdauer durch allerlei Geplänkel in die Länge gezogen wird.

Was die jüngste Kirchenbesetzung in Zürich angeht, so stellt sich zunächst die Frage, weshalb so lange zugewartet wurden, um auch in der Limmatstadt zu pöbeln. Es kann nicht daran liegen, dass sich mit Migros-Gutscheinen keine Zugbillete kaufen lassen. Der Grund ist einzig und allein, dass unter der früheren Zürcher Sicherheitsvorsteherin Rita Fuhrer kein Erfolg erwartet werden konnten. Die Aktivisten mussten damit rechnen, dass in Zürich Bundesrecht durchgesetzt wird. Offensichtlich beurteilen sie die Situation heute anders. Von Hans Hollenstein von der CVP erwarten sie ein leichtes Spiel. Der neue Sicherheitschef konnte sich nicht einmal zu einer Verurteilung der widerrechtlichen Kirchenbesetzung aufraffen. Ob er im Falle einer katholischen Kirche die gleiche Zurückhaltung an den Tag gelegt hätte, bleibe dahingestellt. Bemerkenswert ist, dass er als Regierungsvertreter mit der Wiedereinsetzung einer Härtefallkommission genau das anbietet, was seine eigene Partei nur wenige Stunden zuvor im Kantonsrat gefordert hatte. Zufall? Vielleicht. Gewiss kein Zufall ist, dass er dabei ist, sich über einen klaren Entscheid des ihm übergeordneten Parlaments hinwegzusetzen. Dieses hat nämlich klar gemacht, dass es keine solche Kommission mehr will. Und ebenfalls kein Zufall, sondern bloss peinlich, ist, dass der Magistrat vor versammelten Medien einräumen musste, dass er keine Ahnung hat, weshalb die Härtefallkommission seinerzeit aufgelöst wurde. Das hat mit fehlender Aktenkenntnis und schlechter Vorbereitung zu tun. Darum hier des Rätsels Lösung: Weil es weder nach alten, geschweige denn nach neuem Asylrecht eine Härtefallkommission braucht, sprachen sich deren Mitglieder einstimmig für die Aufhebung aus. Die Möglichkeiten des Rechtswegs wurden dadurch nicht verbaut.

Auch wenn es den Aktivisten missfällt: Beliebigkeit ist der Feind des Rechts.

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Erschienen in der Berner Zeitung vom 10. Januar 2009

Der Populist und die Raser

Es war in den vergangenen Tagen häufig von Grund- und Menschenrechten die Rede. Für den Juristen, ehemaligen Zürcher Justizdirektor und heutigen Bundesrat Moritz Leuenberger scheinen diese nur fallweise – also willkürlich – zu gelten. In seiner Raserei in den Medien gegen die Raserei auf den Strassen wirft er Grundsätze unseres freiheitlichen Rechtstaats gleich haufenweise über Bord. Seit dem letzten tragischen Raserunfall lässt er kaum eine Gelegenheit aus, um gegen Raser zu wettern und sie als „kriminelle Asoziale“ zu brandmarken. (Nur zur Erinnerung: Christoph Blocher ist vor einigen Jahren medial gesteinigt worden, nur weil er im Zusammenhang mit zwei von der Interpol gesuchten Kriminellen das Wort „mutmasslich“ nicht verwendet hatte.)

Dass sich Bundesrat Leuenberger über Raser ärgert, ist verständlich und nachvollziehbar, handelt es sich bei dieser – sehr kleinen – Personengruppe doch tatsächlich um üble Zeitgenossen. Richtig ist auch seine Forderung, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um dem Problem Herr zu werden. Ob er mit Blick auf das Täterprofil auch an nahe liegende Massnahmen im Ausländerrecht denkt, ist allerdings unwahrscheinlich.

Flagrante Verletzung der Gewaltentrennung

Problematisch wird es dann, wenn ein Bundesrat eine im Strudel öffentlicher Empörung angekündigte Volksinitiative begrüsst, obwohl deren Text noch nicht einmal bestimmt und selbst der Inhalt noch völlig unklar ist. Ist die Stellungnahme zu Volksbegehren nicht Sache des Gesamtbundesrats? Und verletzt ein Mitglied der Landesregierung, das sich ohne Rücksprache mit seinen Kollegen öffentlich so vernehmen lässt, nicht das Kollegialitätsprinzip? Und wäre es nicht besser der betreffende Magistrat würde sich im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren einbringen, anstatt die Anstrengungen Dritter zu beklatschen?

Nicht mehr hinnehmbar wird es dann, wenn sich ein Bundesrat in populistischem Eifer daran macht, den Gerichten vorzuschreiben, wie sie ihren verfassungsmässigen Auftrag zu erfüllen haben. Ein Urteil zu kritisieren, ist das eine. Das gehört sogar zu unserem System von „Checks and Balances“. Wenn aber postuliert wird, es sei – nur weil sich dadurch das Strafmass erhöht – in Raser-Fällen generell von Eventualvorsatz auszugehen, haben wir es mit einer unzulässigen Einmischung in die Kernaufgabe der Justiz zu tun. Die Unterscheidung zwischen Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz mag zwar im konkreten Fall häufig sehr schwierig sein, dennoch ist sie sinnvoll und nötig. Und sie vorzunehmen, ist Sache der Gerichte und nicht des Verkehrsministers. Abgesehen davon, ist in einem Rechtsstaat im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten zu entscheiden.

Strafrecht ist Freiheitsrecht

Besonders gefährlich ist schliesslich Herr Leuenbergers Ruf nach „konsequenter und abschreckender Fantasie“ der Richter. Wer so redet, missachtet über 2000 Jahre europäischer Rechts- und Geistesgeschichte. Schon für die Römer galt, dass keine Strafe ausgesprochen werden darf, wenn dies nicht auf Grundlage eines klaren Gesetzes geschieht. Strafrecht ist seinem Wesen nach nämlich Freiheitsrecht. Es bestimmt und regelt klar, unter welchen Umständen der Staat in geschützte Freiheitsrechte seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen darf. Es verfolgt gerade nicht den Zweck, es den Verfolgungsbehörden und der Justiz möglichst einfach zu machen, Leute einzusperren. Vermutlich ist Sozialdemokrat Leuenberger noch der sowjetischen Tradition verhaftet, in der fantasievolle Richter unter Berufung auf den berüchtigten § 58 („konterrevolutionäre Tätigkeiten“ und „antisowjetische Agitation“) möglich war, alles und jeden mit Zwangsarbeit im Gulag zu bestrafen.

Soll gegenüber Rasern bald auch das Folterverbot fallen? Die Forderung Moritz Leuenbergers, Raser in Verwahrung zu nehmen, deutet jedenfalls in diese Richtung. Und bestimmt denkt er nicht an die Art von Verwahrung, die damals herrschte, als er in Zürich Justizdirektor war und für ein grosszügiges Urlaubsregime verantwortlich zeichnete.

Erschienen im Tages-Anzeiger vom 12. Dezember 2008

 

Lesen Sie dazu auch: Moritz Leuenberger ein Sicherheitsrisiko und ein Fall für die GPK

Eidesformel der Eidgenössischen Räte

„Ich schwöre vor Gott dem Allmächtigen, die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes gewissenhaft zu erfüllen.“

 

Kann man von gewissenhafter Pflichterfüllung sprechen, wenn man als National- oder Ständerat einem Kandidaten seine Stimmen gibt, wenn dieser zuvor unmissverständlich klar gemacht hat, dass er als Kandidat gar nicht zur Verfügung steht?

Zweierlei Mass

Als ich mich vor zwei Jahren in einer Interpellation erkundigte, wie es eigentlich in personeller Hinsicht um den Linksdrall in der zürcherischen Bildungsdirektion bestellt sei, ging ein Aufschrei der Empörung durch die Linke. Alleine schon die Mutmassung, es könnten bei der Bestellung von Fachgremien auch sachfremde Kriterien zum Tragen kommen, veranlasste eine Genossin im Rat dazu meinen Vorstoss als „Skandal“ zu bezeichnen.

 

Auch Genossin Bildungsdirektorin verwahrte sich selbstredend gegen den Verdacht, sie interessiere sich für die politische Ausrichtung ihrer Mitarbeiter. Dies würden alleine schon die Bundesverfassung und der Datenschutz verbieten, wurde ausgeführt. So ist es vermutlich bloss Zufall, dass im Generalsekretariat der Bildungsdirektion niemand zu finden ist, der sich öffentlich als Anhänger der SVP zu erkennen geben würde.

 

Ganz so klar scheinen die Regeln allerdings nicht zu sein. Zumindest nicht, was „illoyales Verhalten“ gegenüber dem kanton angeht. Hier gilt: Wenn schon illoyal, dann gefälligst mit einer Position links vom Regierungsrat. Wer beispielsweise gegen eine erst noch zu beschliessende Standortverlegung einer Hochschule ein paar Flugblätter verteilt, kriegt die geballte Macht der Bildungsverwaltung zu spüren. Wer hingegen gegen einen Ausweisungsentscheid des Gesamtregierungsrats protestiert und „Solidarität mit allen!“ schreit, kann mit Wohlwollen rechnen.

 

Ich habe dazu eine Anfrage eingereicht und warte nun gespannt auf die Antwort des Regierungsrats.

Die Regierung an ihre Aufgabe erinnert

Der Kanton Zürich wird das neue Jahr mit einem genehmigten Voranschlag beginnen. SVP, FDP, CVP und Grünliberale haben sich zu einem Kompromiss zusammengerauft, der – der Empörung der Linken nach zu schliessen – so schlecht nicht sein kann. Allerdings ermöglicht er der Regierung trotz einer Aufwandsenkung von rund 100 Millionen Franken fast 3 Prozent mehr auszugeben als im zu Ende gehenden Jahr. Von Sparen kann einmal mehr keine Rede sein.

 

Gleichwohl fühlte sich Regierungsrätin Gut berechtigt, dem Parlament vorzuwerfen, es nehme seine politische Verantwortung nicht wahr. Die Frau irrt sich gewaltig: Die Parteien, die die so genannte bürgerliche Mehrheit in der Regierung stellen, haben lediglich klar gemacht, dass sie von ihren Abgesandten auch eine bürgerliche Politik erwarten. Mit anderen Worten es ist am Regierungsrat – und insbesondere an Rita Fuhrer, Markus Kägi, Thomas Heiniger und Ursula Gut – die Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern wahrzunehmen.

 

Abgesehen davon: Als – neben dem souverän – höchste verfassungsmässige Instanz im Kanton beschäftigt sich ein Parlament nicht mit Leistungsgruppen und budgettechnischem Firlefanz. Genau dafür gibt es eine Regierung und eine Verwaltung, gegenüber der sich die Regierung durchzusetzen hat. Am Willen soll es ja offenbar nicht liegen.

Die Huren der Mächtigen

Es ist keine Erscheinung unserer Zeit, dass sich Professoren und andere – echte und selbsternannte – Experten der Macht andienen, ja sich zu Huren der Mächtigen machen. Die Geschichte ist voll von Beispielen. Im 3. Reich hatten selbst so brillante Staatsrechtler wie Carl Schmitt keine Mühe damit, den „Willen des Führers“ als rechtliche Grundlage zu anerkennen und zur Basis ihrer Überlegungen zu machen. Wer von den Mächtigen abhängig ist, stellt sich ihnen nicht in den Weg. Intellektuelle und akademische Redlichkeit hin oder her.

Das beste Mittel, um dieser Entwicklung zu begegnen, ist eine funktionierende Demokratie. Und Voraussetzung dafür wiederum ist das Recht, seine Meinung frei äussern zu dürfen. Es ist darum das Natürlichste auf der Welt, dass Demokratie und freie Meinungsäusserung von den Mächtigen und ihren eifrigen Handlangern als lästig, wenn nicht gar bedrohlich empfunden werden. Beides müsse Grenzen haben, heisst es dann. Und als basierte nicht unser ganzer Staat auf dem Willen der Bürger und damit auf demokratischer Grundlage, wird postuliert, das Stimmvolk, das hierzulande immer noch als souverän bezeichnet wird, müsse sich an die Regeln des Rechtsstaates halten. Und wo man sich noch scheut, zum offenen Angriff gegen die direkte Demokratie überzugehen, fordert man deren „Verwesentlichung“ – oder man wählt den Umweg über die Gerichte. An willfährigen Experten und Richtern mangelt es den Mächtigen nie.

Auch der Kampf gegen die freie Meinungsäusserung kommt voran: Um in der Ausländer- und Asylpolitik das Terrain vorzubereiten, wurde eigens eine Antirassismus-Gesetzgebung eingeführt, ein Gesinnungsstrafrecht, ein Fremdkörper in einer freiheitlichen Rechtsordnung. Und nur noch „Experten“ wie Georg Kreis, die sich den politischen Verhältnissen und dem jeweiligen Zeitgeist rascher anpassen als ein Chamäleon, bestreiten noch, dass das Strafrecht als Waffe in der politischen Auseinandersetzung dient. Gleichzeitig lässt sich keinerlei positive Auswirkung der Strafnorm belegen. Im Gegenteil, die Rassismusberichte von Hans Stutz werden jedes Jahr dicker.

Der lösungsorientierte Professor Müller

Wer die Macht hat, braucht nicht zu denken. Er setzt durch, was er für richtig hält. Rechtfertigen muss er sich nicht. Und wenn, hat er dafür seine Helfer. Helfer wie Professor Georg Müller, der jüngst einen Beweis seiner Flexibilität lieferte. Gefragt, ob es beim Entscheid des Nationalrats, die Immunität von SVP-Präsident Toni Brunner aufzuheben, nicht auch um eine politische Frage gehe, gab er gegenüber Radio DRS zu Protokoll, dass dem selbstverständlich so sei, gerade weil es sich eben auch eine politische Frage handle, sei schliesslich die Bundesversammlung zuständig.

Die Antwort ist insofern bemerkenswert, dass Georg Müller einer der Ersten war, die sich mit der Rechtsnatur von Einbürgerungen befassten. Ihm ist es unter anderem zu verdanken, dass Einbürgerungen heute ein reiner Verwaltungsakt sind. Müller war sich auch nicht zu schade, die Resolution zu unterzeichnen, in der eine Schar von Staatsrechtlern zur Ablehnung der Einbürgerungsinitiative der SVP aufriefen.

Hätte Georg Müller den berühmten Einbürgerungsentscheid des Bundesgerichts kritisch auf seine Tragweite hin untersucht, anstatt sich lediglich an der Aussicht auf Masseneinbürgerungen und der damit einhergehenden Senkung des Ausländeranteils zu berauchen, hätte er festgestellt, dass die Lausanner Richter im Grunde nichts anderes getan haben, als den Schutz vor staatlicher Willkür zum höchsten Rechtsgut zu erheben. Wenn das wirklich so gewollt gewesen wäre, müsste also Toni Brunner konsequenterweise den Entscheid des Nationalrats auf Willkür überprüfen lassen können. Genau das hat aber das Bundesgericht in einem anderen Fall unter Berufung auf das untergeordnete Organisationsgesetz abgelehnt. Und was den Fall von Christoph Blocher angeht, der seinerseits eine gerichtliche Überprüfung der Vorkommnisse rund um die GPK verlangt, meldeten sich die Professoren, unter anderem auch Georg Müller, wieder zu Wort: „Wo kämen wir denn da hin, wenn da jeder gegen demokratische Institutionen klagen könnte?“ Jemand erkannte in dieser Anrufung eines Gerichts sogar den Versuch, den Rechtsstaat auszuhebeln. Selbstverständlich blieb derartiger Unsinn in professoralen Kreisen unwidersprochen.

 

Schutz des Privaten ist zentrale Staatsaufgabe

Ein Schaden ist nicht entstanden – und es wird auch keiner entstehen. Genau mit den erforderlichen 60 Stimmen, also äusserst knapp, erfuhr eine Parlamentarische Initiative der Grünen zur Einführung einer Deklarationspflicht für Parteispenden die vorläufige Unterstützung. Bereits jetzt ist klar, dass das Anliegen definitiv scheitern wird, wenn es nach der Beratung durch die zuständige Kommission irgendwann wieder ins Plenum kommt.

Eine grosse Mehrheit des Rates und sicherlich auch der Bevölkerung weiss um die Bedeutung des Privaten und wird den Staat niemals von seiner Aufgabe, es zu schützen, entbinden. Für diese Mehrheit ist klar, dass, wer sein Geld nicht vom Staat erhält, weder diesem, noch der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Wer jedoch, wie der ehemalige Fraktionspräsident der Sozialdemokraten, „totale Transparenz“ verlangt, dem bleibt es freilich unbenommen, auch ohne Zwang, seine Bücher offen zu legen. Die Genossen dürfen gerne mit gutem Beispiel vorangehen.

Der Schutz des Privaten ist eine der zentralen Aufgaben eines Gemeinwesens. Gerade in den zahlreichen, von den Linken geforderten und teilweise durchgesetzten Diskriminierungsverboten, kommt dies zum Ausdruck. Der freiheitliche Rechtsstaat bestimmt die Grenzen, für die Bereiche, in denen der Staat nichts zu suchen hat. Sehr eindrücklich formulierte dies der grosse Staatsmann William Pitt (1759-1806) als er sich im englischen Parlament gegen die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Apfelwein und die Absicht der Staatsgewalt, in diesem Zusammenhang Gebäude und Anlagen zu durchsuchen, zur Wehr setzte: „Der ärmste Mann in seiner Hütte kann aller Gewalt der Krone Trotz bieten. Das Haus mag baufällig sein; das Dach mag wanken; der Wind mag hindurchpfeifen; das Unwetter mag eindringen – aber der König darf nicht eindringen; all seine Gewalt darf es nicht wagen, die Schwelle dieser zerfallenen Wohnstatt zu überschreiten.“

Die Debatte im Kantonsrat war lebhaft und sogar hoch stehend. Allerdings gelang es dem Referenten der Sozialdemokraten, das Niveau rasch wieder zu senken, indem er sich mit Inbrunst Kleinkram widmete. Erwähnung verdient allerdings, dass der Vorstoss der Grünen seiner Ansicht nach zu wenig weit geht. Das ist insofern bemerkenswert, als die Sozis offenbar die Grünen links und die SVP rechts überholen wollen. Man darf gespannt sein, ob sie diesen Spagat aushalten.