Bundesrat: Volkswahl statt Klüngelei

Es wird immer wieder behauptet, jedes Volk habe die Regierung, die es verdient. Wenn ich an unseren Bundesrat denke, wächst in mir allerdings die Überzeugung, dass dies nicht stimmen kann. Das Schweizervolk kann nichts für seine Regierung. Es ist die Vereinigte Bundesversammlung, die den Bundesrat wählt. Doch leider erweist sich diese ihrer Verantwortung, «die Besten und Wägsten» zu wählen, in zunehmendem Masse als nicht gewachsen. Bundesratswahlen sind zu einem unwürdigen Spektakel geworden, dessen Regeln laufend den gerade aktuellen Bedürfnissen der Spielmacher angepasst werden. Dass es gar nicht um ein Spiel geht, wird verdrängt.

 

All unsere National- und Ständeräte haben einen feierlichen Eid oder ein Gelübde geleistet, wonach sie die Pflichten ihres Amts gewissenhaft erfüllen wollen. Doch wie steht es um die Gewissenhaftigkeit bestellt, wenn die Hälfte des Parlaments für einen Mann stimmt, der nur wenige Minuten zuvor unmissverständlich erklärt hatte, dass er als Kandidat gar nicht zur Verfügung steht? Oder wie gewissenhaft ist eine Partei, die zwar einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt, ihm aber nicht eine einzige Stimme gibt? Und wie gewissenhaft ist es schliesslich, den einzigen Bundesrat mit Unternehmerqualitäten ohne sachliche Begründung handstreichartig aus dem Amt zu putschen?

 

Kein Wunder liegt das Ansehen der Politik danieder. Sie hat versagt. Die Verschuldung (Steuern von morgen) des Bundes hat sich seit 1990 auf über 130 Milliarden Franken mehr als verdreifacht. Die Ausgaben steigen so ungebremst wie die Krankenkassenprämien. Die Sozialwerke müssten dringend saniert werden. Die Zahl der Asylgesuche steigt wieder an. Unsere selbstständige Stromversorgung ist nicht mehr sichergestellt. Die beste Armee der Welt jagt Piraten und Zecken. Der Fluglärmstreit mit Deutschland harrt einer Lösung. Deutschland betrachtet uns als Untertanengebiet. Die USA machen der UBS und dem Bankkundengeheimnis den Garaus, und selbst Libyen tanzt uns auf der Nase herum. Wir stecken mitten in der grössten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Aussichten sind düster. – Und wir diskutieren darüber, ob ein bestimmter Möchtegern-Bundesrat Romand ist. Was der Mann kann, scheint niemanden zu interessieren.

 

Es braucht Männer und Frauen in der Landesregierung, die gewillt sind, Probleme anzupacken und zu lösen, anstatt sie zu verwalten oder mit Geld zuzuschütten. Das heutige Wahlsystem ist denkbar ungeeignet, solche Leute ins Amt zu befördern. Das verhindert ein Klüngel, der sich krampfhaft an die Macht klammert und nur zwei Ziele verfolgt: Er will in die EU, und er will der SVP schaden. Das ist zwar mager als Programm, scheint aber der Mitte-links-Mehrheit zu genügen. 

Aus der Zeit , als die Sozialdemokraten noch um Einfluss kämpfen mussten und nicht einfach in den Institutionen verfetteten, stammt die Idee, den Bundesrat – wie die Regierung in sämtlichen Kantonen – direkt vom Volk wählen zu lassen. Zweifellos würde dieser dadurch an Ansehen gewinnen. Er verlöre die Abhängigkeit vom Parlament und wäre nur noch dem Volk gegenüber verantwortlich. Parteikalkül würde zurückgestellt. Auf diese Weise würden Magistraten gewählt, die wieder für die Schweiz und die Schweizerinnen und Schweizer einstehen. Und auch wenn die Sitze der lateinischen Schweiz garantiert sind, müssten wir nicht mehr darüber diskutieren, ob ein Kandidat im Kindergarten deutsch oder französisch geredet hat. Das wäre nicht schlecht, oder?

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Erschienen in der Berner Zeitung vom 04.07.2009