Der Zweck heiligt nicht alle Mittel

Eine der wichtigsten Tugenden des Gesetzgebers ist, bzw. wäre das Masshalten. Von vornehmer Zurückhaltung ist leider immer weniger zu spüren. Unser Parlament, das sich in Zeiten einer weltweiten Finanzkrise leidenschaftlich mit dem Handel von Katzenfellen beschäftigt, liebt nichts mehr als Details. Das entbindet von der Auseinandersetzung mit dem Grundsätzlichen.

Immer mehr macht sich auch die Unsitte breit, mittels Volksinitiative Mikro-Tatbestände regeln zu wollen. So will ein Fanatiker eine bestimmte Kategorie von Fahrzeugen verbieten, während andere aus nicht minder sektiererischen Motiven eine Kategorie von Verbrechen gesondert behandeln wollen. Die Rede ist von der Volksinitiative „Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern“.

Ziel des Volksbegehrens ist es, Kinder besser vor sexuellen oder pornografischen Straftaten zu schützen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch sollte man nicht zuerst einmal die Frage stellen, wo genau das Problem liegt? Werden Kinder tatsächlich besser geschützt, also weniger häufig Opfer sexueller Gewalt, weil bestimmte Delikte nicht mehr verjähren? Wo bleibt da die Logik?

Liesse sich die Zahl solcher Delikte nicht viel eher vermindern, wenn wir Richter hätten, die zu strafen wissen und ihre Verantwortung nicht auf die Hehrscharen von Psychiatern und Psychologen abwälzen? Oder wäre die Gefahr, dass ein Kind Opfer einer sexuellen Straftat wird, nicht dann geringer, wenn der Strafvollzug wieder den Charakter einer Strafe bekäme und verwahrte Straftäter nicht mehr auf Urlaub geschickt würden? Oder wie abschreckend sind Strafen, wenn die Vollzugsverwaltung alleine schon indem sie von Klienten anstatt von Kriminellen redet, zum Ausdruck bringt, dass Täter in erster Linie Opfer der Gesellschaft sind, denen geholfen werden muss?

Die Volksinitiative „Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern“ ist nicht nur deshalb abzulehnen, weil sie falsche Hoffnungen weckt, sondern vor allem deshalb, weil sie die Dogmatik des Strafgesetzbuches über den Haufen wirft. Es herrscht in unserem Land die allgemeine Übereinkunft, dass das höchste rechtsgut, das der Staat zu schützen hat, das menschliche Leben ist. Da Tötungsdelikte verjähren, ohne dass dies von irgendjemandem in Frage gestellt würde, darf es ganz einfach nicht sein, dass weniger schlimme Delikte für unverjährbar erklärt werden.

Hinzu kommt, dass Bundesrat und Parlament der Volksinitiative einen praktikablen und ausgewogenen Gesetzesvorschlag entgegengestellt haben. Es spricht nicht für politische und demokratische Reife der Initianten, dass sie darauf nicht eingegangen sind.