Da will der Bundesrat für einmal etwas nicht gesetzlich regeln, und Parteifinanzen Privatsache bleiben lassen, und schon steigen die eidgenössischen Jakobiner auf die Barrikaden, um den Katalog der Menschenrechte um das „Recht auf Transparenz“ zu ergänzen.
Linke Politik zeichnet sich durch den Anspruch auf universale Gültigkeit aus. Was Linke für gut halten, soll gleich der ganzen Welt zum Wohle gereichen. Die intellektuelle Grosszügigkeit, anderen das Recht zuzugestehen, ihr Leben nach eigenem Gutdünken zu gestalten, geht Linken – wenn es nicht gerade um Sex und Drogen geht – vollständig ab. Unter dem Vorwand der Lösungsorientiertheit drücken sie ihre Lösungen durch. Kollateralschaden kümmert sie nicht.
Wo sie mit stalinistisch-zentralistischen Lösungen, wie mit der Einführung einer Einheitskrankenkasse, nicht durchkommen, entdecken die Genossen plötzlich die Vorzüge des Föderalismus neu und wollen den Kantonen die Möglichkeit geben, wenigstens im Kleinen gleich zu machen, was nicht gleich ist. Sehr pauschal wiederum ist die Haltung der Linken gegenüber der Pauschalbesteuerung. Njet. Niemand soll die Möglichkeit haben, etwas besser zu machen. Die höchste Stufe des Sozialismus ist dann erreicht, wenn es allen gleich schlecht geht.
Falsches Motiv
Wenn das linke Lager, das die direkte Demokratie bekanntlich lieber heute als morgen durch Funktionärsrecht und fremde Richter ersetzen möchte, plötzlich Forderungen zur Verbesserung der demokratischen Auseinandersetzung erhebt, ist Skepsis angezeigt.
Die Sozis schicken sich gerade an, ein neues Menschenrecht aus der Taufe zu heben: Das Recht auf Transparenz. Und obwohl die Argumentation intellektuell etwa so dürftig ist, wie jene, auf der die Forderung der Genossen nach „sozialer Gerechtigkeit“ basiert, stellt sich der junge SVP Nationalrat Lukas Reimann hinter das Anliegen. Er weiss offensichtlich nicht, was er tut. Dabei ist das Motiv, das die Linken verfolgen, offensichtlich: Da kaum jemand, der sein Geld mit ehrlicher Arbeit verdient, einer linken Partei Geld gibt, dürfen auch andere kein Geld erhalten, oder alle erhalten gleich viel – vom Staat.
Welcher Gewerbetreibende kennt das Problem nicht? Man hat zwar eine klare Gesinnung, muss damit aber hinter dem Berg halten, um keine Kunden zu vergraulen. Jeder Coiffeur und jeder Arzt weiss, dass man von den Themen „Politik“ und „Religion“ die Finger lassen soll. Deswegen liegen bei ihnen in der Regel Klatschhefte auf und nicht der „Zürcher Bote“. Ausnahmen sind willkommen!
Zuwendungen an Parteien sind für diese Menschen eine legitime Möglichkeit, sich mit der für sie wichtigen Diskretion politisch zu engagieren. Und genau das wollen die Sozis verhindern. Sie wissen natürlich, dass viele Mitglieder der FDP längst heimlich für die SVP stimmen und ihr Geldspenden zukommen lassen. Das zu ändern, wäre, wenn schon, Sache der FDP – eine bürgerliche Ordnungspolitik wäre dabei sicherlich hilfreich.
Was das von den Linken reklamierte neue Menschenrecht angeht, so ist festzuhalten, dass niemand ein Recht auf Transparenz in Belangen eines Anderen hat, sofern dem nicht Gesetz oder private Vereinbarung entgegenstehen. Die Menschen haben Staaten nicht geschaffen und ihn mit einem Gewaltmonopol ausgestattet, um von ihnen geknechtet zu werden, sondern weil sie sich davon einen besseren Schutz ihrer individuellen Interessen und Bedürfnisse versprechen. Der Staat hat das Private zu schützen, und Freiheitsrechte schützen uns vor dem Staat selbst. Das ist ein Menschenrecht. Und da Parteien in der Schweiz privatrechtliche Vereine gemäss Zivilgesetzbuch sind, die vom Staat – also vom Steuerzahler – kein Geld erhalten, besteht kein, wie immer gelagerter Anspruch auf Einblick in deren finanzielle Angelegenheiten. Abgesehen davon, gibt nicht viel, das mich weniger interessiert, als die Buchhaltung der Sozialdemokraten und Grünen.
In einer unsterblichen Grundsatzrede im Unterhaus führte der englische Staatsmann William Pitt der Ältere (1708 – 1778) aus, was Freiheit des Einzelnen – selbst in einer Monarchie! – bedeutet: „Der ärmste Mann in seiner Hütte kann aller Gewalt der Krone Trotz bieten. Das Haus mag baufällig sein; sein Dach mag wanken; der Wind mag hindurchpfeifen; das Unwetter mag eindringen und der Regen mag eindringen – aber der König darf nicht eindringen; all seine Gewalt darf es nicht wagen, die Schwelle dieser zerfallenen Wohnstatt zu überschreiten.“ Geht es nach den Sozialdemokraten und den restlichen Linken, sitzt der König längst in der Hütte oder wälzt sich gar wohlig im Bett. Für sie ist Staatsmacht grenzenlos. Ihr gehört alles. Die Linken wollen geistesgeschichtlich also zurück in die Zeit vor der Magna Charta Libertatum oder dem Habeas Corpus Act. Begriffe wie „Steuergeschenk“ sind Ausdruck dieser unsäglichen und rückwärtsgewandten Geisteshaltung.
Wähler haben, was Politiker wollen
In ihrem Eifer übersehen die „Transparenz-Forderer“ dass die Interessenlage im demokratischen Alltagsgeschäft sehr klar ist und keinerlei Änderung bedarf. Wähler heissen Wähler, weil sie die Wahl haben. Sie entscheiden. Politiker buhlen um ihre Stimme. Sie sind die Bittsteller. Wäre Transparenz tatsächlich ein zentrales Anliegen der Wählerinnen und Wähler, wären auf Plakaten und in Inseraten nicht Gesichter zu sehen, sondern Bankauszüge und Steuererklärungen. Die Wähler sind schliesslich vollkommen frei, ihre Stimme denjenigen zu geben, die zuvor ihre finanziellen Verhältnisse offengelegt und womöglich noch sonst allerhand privates zu Markte getragen haben. Persönlich sind mir jedenfalls Politiker lieber, von denen ich erwarten kann, dass sie meine Privatsphäre ebenso schützen, wie die eigene.
Wie steht es um die Transparenz bei den Medien?
Ein betrübliches Bild in dieser Diskussion geben einmal mehr die Medien ab, die zwar gerne mit ihrer Kontrollfunktion prahlen, aber kaum mehr zu einem kritischen Gedanken gegenüber den Mächtigen im Staat in der Lage sind. Selbst wenn eine Bundesrätin die Abschaffung des Bankgeheimnisses fordert, weil die „Spiesse für in- und ausländische Steuerämter“ angeblich gleich lang sein müssten, nickt die Qualitätsjournaille bloss zustimmend, und niemand erkennt das Offensichtliche, dass nämlich das Bankgeheimnis nicht die Interessen des Fiskus, sondern jene der hart arbeitenden Bürgerinnen und Bürger schützen will.
In unserem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage nach der politischen Gesinnung unserer Medienschaffenden. Dass deren Arbeit für den Ausgang demokratischer Entscheidungsprozesse wichtiger ist, als das Wissen, wer wem etwas Geld gibt, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Warum also sollen Journalisten ihre Interessen und politischen Standpunkte, die sie durchaus haben dürfen, nicht offenlegen? Nur ein Narr glaubt, ein Journalist sei alleine schon deshalb neutral, weil er keiner Partei einen Mitgliederbeitrag bezahlt.
Ein öffentliches Register im Internet mit den Smartspidern zumindest derjenigen Journalisten, die bei unseren zwangsgebührenfinanzierten Staatsmedien arbeiten, brächte jene Transparenz, die der Demokratie tatsächlich zuträglich wäre. Aber hier schweigen die Genossinnen und Genossen vielsagend.