Mit warmer Luft das Rahmenabkommen retten? – Einfältiges aus der «Chambre de Réflexion»

Was die beiden Ständeräte, Damian Müller (LU) und Ruedi Noser (ZH), dem Publikum kürzlich in einem Aufsatz in den Regionalblättern der NZZ-Gruppe präsentierten, zeugt von erschreckender Einfältigkeit. Immerhin wissen wir nun, dass nach einem Gedankenstrich nicht zwingend ein Gedanke folgen muss.

Eine Analyse der Schreibe:

Der Artikel Mein Kommentar dazu
Gastkommentar Offenbar machte man sich auf der Redaktion nicht die Mühe, den Text vor der Veröffentlichung auch zu lesen. Auch dem Praktikanten wäre sonst aufgefallen, dass es sich nicht um einen Kommentar, sondern um die (dürftige) Begründung einer politischen Forderung handelt.

Kommentar ist lediglich die Feststellung, dass der Bundesrat nicht geschlossen agiere und die Kritik an diesem Umstand.

Die Schweiz braucht einen überzeugenden Rahmenvertrag – oder aber ein Fitnessprogramm Der Titel offenbart bereits die eklatante Fehlkonzeption, die dem gesamten Aufsatz zugrunde liegt. Was ist ein «überzeugender» Rahmenvertrag? Ist das vorliegende Papier in den Augen der Autoren etwa «überzeugend»? Genügt es, wenn die beiden Autoren überzeugt sind? Oder kommt es vielleicht doch auch darauf an, welche Auswirkungen ein Abkommen auf unser Land und seine historischen und politischen Besonderheiten hat?

Der Titel suggeriert ferner, dass ein Rahmenabkommen mit der EU die Schweiz davon entbinden würde, selbst für gute Bedingungen zu sorgen. Das ist nichts anderes als eine Kapitulation. Die EU mag vieles sein, aber sie ist mitnichten ein Garant für eine gute Ordnungspolitik. Das Heil aus Brüssel zu erwarten, mag für südliche Pleitestaaten angehen, kann für die Schweiz jedoch nie und nimmer eine Option sein.

Selbst unter der Prämisse, dass ein institutionelles Abkommen mit der EU im Interesse der Schweiz liege, werden wir nicht darum herumkommen, unsere Hausaufgaben, die wir über Jahrzehnte – nicht zuletzt unter dem Einfluss der EU – sträflich vernachlässigt haben, zu erledigen. Anstatt uns dem Wettbewerb zu stellen, haben wir mitgeholfen, den Wettbewerb auszuschalten.

Lead: Zwei FDP-Ständeräte sind überzeugt: Für die Schweizer Wirtschaft ist ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU, hinter dem der Bundesrat geschlossen steht, die beste Lösung. Gelingt das nicht, brauche unser Land – ähnlich wie nach dem EWR-Nein 1992 – ein Fitnessprogramm, schreiben sie im Gastbeitrag für die «Schweiz am Wochenende». Die Konzeptlosigkeit scheint ansteckend zu sein. Wie kann die Qualität eines Vertrages davon abhängen, ob die Landesregierung «geschlossen» dahintersteht – wozu sie nach Bundesverfassung ohnehin verpflichtet ist? Oder anders gesagt, was macht einen Vertrag inhaltlich besser, wenn sich statt drei von sieben vier, fünf, sechs oder gar alle dahinter stellen?
Ein Nein zum Rahmenabkommen genügt nicht: Die FDP-Ständeräte Damian Müller (LU) und Ruedi Noser (ZH) plädieren für einen nächsten Schritt. Eine einfallslose Anmerkung der Redaktion.

«Für den nächsten Schritt plädieren» – was für eine Plattitüde! Für jeden Weg braucht es Schritte – massgeblich ist die Richtung.

Wir Freisinnigen stehen zum bilateralen Weg und wollen diesen weiterentwickeln, damit unser Werk-, Denk- und Innovationsplatz weiterhin Weltspitze bleibt. Von den vielen internationalen Verträgen, welche die Schweiz abgeschlossen hat, sind die wichtigen bilateralen Abkommen mit der EU praktisch die einzigen, deren Aktualisierung nicht formell geregelt ist. Das deutet darauf hin, dass sie ursprünglich als Provisorium gedacht waren. Das ist eine blanke Lüge: Wer für den «bilateralen Weg» ist, muss das vorliegende Rahmenabkommen ablehnen. Denn: es würde fortan nicht mehr auf Augenhöhe verhandelt, sondern die Schweiz ginge die Verpflichtung ein, fremdes Recht zu übernehmen. Ja sie würde der Gegenseite sogar das Recht zugestehen, einseitige «Ausgleichsmassnahmen» zu ergreifen, sollte diese Rechtsübernahme nicht zur Zufriedenheit Brüssels erfolgen und umgesetzt werden.

Auch die zweite Behauptung hält einer Überprüfung nicht stand. Nach der Ablehnung des EWR-Vertrags – und der damit einhergehenden institutionellen Anbindung an die EU und insbesondere der Evolutionsklauseln – blieb nur die Möglichkeit, Angelegenheiten bilateral zu regeln. Genau, wie es die Eidgenossenschaft seit Jahrhunderten mit anderen Staaten tat und tut.

Es gibt keinen Grund, die bilateralen Abkommen mit der EU anders zu behandeln als die vielen übrigen Verträge, die die Schweiz mit anderen Staaten abschloss. Auch, was deren Dauer, bzw. Gültigkeit angeht, handelt es sich um ganz normale Abkommen, die kündbar oder veränderbar sind.

Die Behauptung, die bisherigen Abkommen mit der EU hätten ein Ablaufdatum, ist abwegig, insbesondere, wenn man sich – wie die beiden Autoren – auf den Standpunkt stellt, Völkerrecht stehe in jedem Fall über dem nationalen Recht also auch über der Verfassung und damit über dem Recht, das massgebliche Recht souverän zu bestimmen.

Richtig ist zwar, dass von Leuten, die den EWR oder andere Verträge als «Trainingslager für den EU-Beitritt» (Adolf Ogi), oder gar, wie als ein «in Arbeit befindliches Projekt» (Josef Deiss) betrachten, werden – ja müssen! – konsequenterweise jede Zwischenstufe als provisorisch qualifizieren. Das war und ist aber nicht die offizielle und veröffentlichte Position gegenüber dem Schweizer Volk. In der Konsequenz kann die Behauptung der Autoren nur bedeuten, der Bundesrat habe das Schweizer Volk arglistig getäuscht. Leider kann dies nicht ausgeschlossen werden.

Die EU – und vermutlich auch die Schweiz – gingen zum Verhandlungszeitpunkt davon aus, die Bilateralen würden in absehbarer Zukunft abgelöst. Seit 2008 ist indes klar, dass die Schweiz keine weitere Annäherung an die EU vollziehen wird. Die einst provisorischen Verträge erhalten damit definitiven Charakter. Die Debatte um das Rahmenabkommen ist vor diesem Hintergrund zu verstehen, denn es stellt sich heute die Frage, wie man die bilateralen Verträge modernisieren und somit stets auf dem aktuellen Stand halten kann. Drei nüchterne Feststellungen dazu: Für eine solche Behauptung müssten Belege vorgelegt werden. Sollte die EU tatsächlich vom provisorischen Charakter der Verträge ausgegangen sein, müsste es dafür Gründe geben. Nun ist dem Bundesrat durchaus zuzutrauen, dass er entsprechende Signale aussandte, in diesem Fall hätte sie sich aber entweder gegenüber der EU oder dem Schweizer Volk treuwidrig verhalten. Warum unter solchen Voraussetzungen nun dasselbe Gremium, wenn auch in anderer personeller Zusammensetzung, bessere Resultate liefern soll, bleibt das Geheimnis der Autoren. Oder mit anderen Worten: Warum sollten die EU und/oder das Schweizer Volk dem Bundesrat erneut vertrauen?

Warum sollte seit 2008 klar sein, «dass die Schweiz keine weitere Annäherung an die EU vollziehen wird»? Diese Aussage stimmt nur, wenn man unter «Annäherung» zwingend eine institutionelle Anbindung versteht. Der bilateralen Lösung von Problemen, was die Autoren ja angeblich wollen, steht nicht das Geringste im Weg, und dass sich eine Schweizer Bundespräsidentin öffentlich von einem EU-Kommissionspräsidenten abknutschen lässt, kann man schwerlich als Ausdruck schlechter Beziehungen deuten.

Es gehört zu den Geburtsleiden der EU und ist tief im Denken seiner Funktionäre verwurzelt, Integrationsprozesse, bzw. das, was manche dafür halten, als «irreversibel» zu bezeichnen. Wer nach dem «Brexit» politische Entwicklungen immer noch für irreversibel hält, ist nicht lernfähig und verschliesst sich dem Offensichtlichen.

Verträge sind entweder gut oder schlecht, was die beteiligten Seiten unterschiedlich beurteilen mögen. «Modern» ist jedoch eine vollkommen untaugliche Qualifikation für einen Vertrag. Wer von der «Modernisierung bilateraler Verträge» spricht und das ohne Abwiegen der Vor- und Nachteile als erstrebenswert propagiert, tut dies in Täuschungsabsicht.

Erstens: Sollte das institutionelle Abkommen scheitern, bleibt die Frage, wie wir die bestehenden bilateralen Verträge regelmässig aktualisieren, weiterhin unbeantwortet. Die Schweiz und die EU müssen sich über einen Aktualisierungsmechanismus einigen. Warum? Was spricht dagegen, Probleme dann zu lösen, wenn sie auftreten. Warum sollte man ohne Not und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte der Gegenseite das Recht einräumen, Verträge einseitig anzupassen?

Warum sollten Verträge zwischen der Schweiz und der EU anders behandelt werden als Hunderte von Millionen von Verträgen, die jeden Tag abgeschlossen werden? Wenn es dafür Gründe gibt, sollen diese vorgebracht werden.

Zweitens: Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie eng wir mit der EU vernetzt sind. Ohne grenzüberschreitende Zusammenarbeit gäbe es keinen Impfstoff, keine Tests und keine Therapien. Aber auch die Bewältigung der Krise an sich verlangt nach Koordination. Dieser Aussage fehlt jeder Bezug zur Realität: Wenn die Corona-Krise etwas gezeigt hat, dann dass sich jeder selbst der Nächste ist.

Zu Beginn der Pandemie hinderte das Dogma der «offenen Grenzen» viele Regierungen, leider auch die schweizerische, daran, das Notwendige zu tun: Die Grenzen zu schliessen. Mit anderen Worten: Das sture Festhalten an EU-Dogmen verhinderte die Bildung von Cordon sanitaires.

Die zentral geführte Beschaffung von Impfstoff durch die EU-Kommission erweist sich als Debakel. Mittlerweile ist sogar ein eigentlicher Wirtschaftskrieg entbrannt. In jedem normalen Staat hätten Frau von der Leyen und ihre Entourage längst zurücktreten müssen.

In Verletzung klarer Verträge, blockierten Deutschland und Frankreich für die Schweiz bestimmtes Sanitätsmaterial unter Berufung auf nationales Interesse. Die Schweiz hingegen, die sich von der Parole «Sicherheit durch Kooperation» blenden liess, versäumte es, rechtzeitig Massnahmen zu treffen. Dies wiegt umso schwerer, als bereits vor Jahren «Pandemie» und «Strommangellage» als die beiden grössten Gefahren für die Schweiz definiert wurden.

Was die Autoren – Ständeräte nota bene! – euphemistisch als «Koordinationsbedarf» umschreiben, ist der Ruf nach mehr Zentralismus. Dabei ist es nur der Föderalismus, der Erfolg oder Misserfolg der verschiedenen Konzepte sichtbar macht. Die EU hätte dafür sorgen können, dass Daten, die für statistische Vergleiche wichtig sind, einheitlich erhoben werden. Doch auch hier versagte sich kläglich.

Drittens: Die Schweiz wie die Europäische Union sind auf aktualisierte gemeinsame Verträge angewiesen, um den Handel und Austausch von Dienstleistungen und Gütern auf hohem Niveau aufrecht zu erhalten. Ein Gemeinplatz. Die Autoren sind nicht in der Lage ein konkretes Beispiel dafür anzuführen, wo sich das Fehlen automatisch «aktualisierter gemeinsamer Verträge» als Hindernis erweist. Wo gemeinsame Interessen vorliegen, findet sich immer eine Lösung.
Schweiz schlägt Grossbritannien So kurz nach dem Ausscheiden Grossbritanniens aus der EU ist eine solche Aussage schlicht unseriös.
In der jüngsten Vergangenheit waren die Verhandlungen mit der EU stets vom Brexit belastet. Nun sehen wir, was die Briten in den Verhandlungen erreicht haben: Einen zollbefreiten Marktzugang für Güter, aber keine Teilnahme am Binnenmarkt. Es ist offenkundig: Die bilateralen Verträge sind für die Schweiz bei weitem besser als die britische Lösung mit lediglich einem Handels- und Kooperationsabkommen. Im Gegenzug gibt die Schweiz der EU auch viel – und zwar mehr als die Briten: Wir haben Landverkehrsabkommen, Personenfreizügigkeit, Integration in Schengen/Dublin, und generell eine Gesetzgebung, die sich an der EU orientiert. Darum gilt es, den bilateralen Verträgen Sorge zu tragen. Diese EU-Fixierung ist lächerlich. Die Bedeutung der EU für die Schweizer Volkswirtschaft ist seit mehreren Jahren sogar rückläufig.

Grossbritannien scheint den Brexit hervorragend zu verkraften. Sie verfügen über den grössten Finanzplatz und die besten Schulen in Europa. Wenn es an etwas fehlt dann an Fantasie seitens der Schweiz diese Ausgangslage für ihren Vorteil zu nutzen.

Wer nicht an die EU gebunden ist, dem steht die Welt offen. Würde die Schweiz das InstA ratifizieren, würde der Abschluss von Freihandelsabkommen mit dem Rest der Welt zumindest massiv erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht.

Grossbritannien gehörte nicht zum Schengen-Raum. Gleichwohl war die Zuwanderung einer der wichtigsten Gründe für den Brexit-Entscheid.

Plötzlich sollen «bilateralen Verträgen» wieder «Sorge getragen» werden – obwohl sie angeblich nur provisorischen Charakter haben und nach Ansicht der Autoren durch eine institutionelle Anbindung ersetzt werden sollen.

Angesichts dieser guten Ausgangslage erstaunt das aktuelle innenpolitische Seilziehen um die Sicherung der bilateralen Verträge. Rechtskonservative Kreise befürchten einen Souveränitätsverlust oder schieben diesen zumindest argumentativ vor. Objektiv betrachtet kann man einen solchen – wenn überhaupt – eher bei anderen internationalen Verträgen (z.B. Datenschutz oder Geldwäscherei) vermuten als bei denjenigen mit der EU. Der weit grössere Souveränitätsverlust spielt sich derweil von vielen unbemerkt im digitalen Raum ab. Wir haben unsere digitale Souveränität längst aufgegeben und müssen uns heute bei jedem Telefongespräch, E-Mail, Bankgeschäft, bei jeder Websuche oder Kreditkartenzahlung an amerikanisches Recht halten. Es stimmt zwar, dass auch in anderen Gebieten und gegenüber anderen Mächten Souveränität preisgegeben wurde und wird. Doch ist es intellektuell armselig, einen Fehler, den man als Fehler erkennt, damit zu begründen, man habe ihn schon andernorts begangen.

Dass das InstA zu einem Souveränitätsverlust führt, kann nicht ernsthaft bestritten werden, und nur aus Sicht der Gegenpartei oder als deren Agent kann man das begrüssen. Objektiv ist es jedenfalls so:

·   Die Schweiz würde der EU das Recht einräumen, die vom Vertragsinhalt umfassten Regeln jederzeit einseitig anzupassen.

·   Die Schweiz würde der EU das Recht einräumen. «Ausgleichsmassnahmen» (d.h.: Sanktionen) zu ergreifen, falls die Schweiz Erlasse der EU nicht in der von dieser gewünschten Weise umsetzt.

·   Die Schweiz würde der EU das Recht einräumen, Schweizer Verfassungsrecht, z.B. den Artikel gegen die «Masseneinwanderung» zur Makulatur zu machen.

·   Die Schweiz würde der EU das Recht einräumen, Streitfälle vor ein Schiedsgericht zu bringen, das nach dem Recht der EU und den Entscheidungen EU-Gerichtshofs zu entscheiden hat.

·   Die Schweiz würde der EU das Recht einräumen, weitere Verträge, insbesondere das Freihandelsabkommen von 1972 der Guillotine-Klausel zu unterstellen.

Man muss die Souveränität nicht mögen. Man kann sie gar ablehnen oder als Hirngespinst «rechtskonservativer Kreise» der Lächerlichkeit preisgeben. Aber man sollte nicht vorgeben, man achte sie, während man sich Gehilfe einer fremden Macht aufführt. Die Argumentation von Damian Müller und Ruedi Noser unterscheidet sich in nichts von derjenigen Marschall Pétains, als er sich am 30. Oktober 1940 nach der Kapitulation gegenüber Deutschland an die Franzosen wandte: « […] La France est tenue par des obligations nombreuses vis-à-vis du vainqueur. Du moins reste-t-elle souveraine. Cette souveraineté lui impose de défendre son sol, d’éteindre les divergences de l’opinion, de réduire les dissidences de ses colonies. Cette politique est la mienne. Les ministres ne sont responsables que devant moi. C’est moi seul que l’histoire jugera. […] »

Bemerkenswert ist zudem, dass die beiden Autoren jedem von ihnen angeführten Souveränitätsverlust bereitwillig zustimmten.

Links schlägt sich selbst Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, man stehe selbst nicht links, obwohl man insbesondere in EU-Frage zu 99% mit den Linken stimmt.
Erschreckend ist das Verhalten auf linker Seite, wo nur noch Partikularinteressen vertreten werden. Die Gewerkschaften verharren in ihrer angstgetriebenen, rückwärtsgewandten Position. Um ihren Einfluss und ihre Eigeninteressen zu verteidigen, nehmen die Gewerkschaften den Verlust tausender Arbeitsplätze in der Schweiz billigend in Kauf. Denn sie verkennen, dass ein Verzicht auf Aktualisierung der Verträge zu einer schleichenden Erosion des Marktzugangs und damit unseres Wohlstandes führt – zulasten der Arbeitnehmenden. Diese Kritik an der «linken Seite» ist heuchlerisch. Damit soll der Eindruck vermittelt werden, man stehe in der Mitte, da man schliesslich die «rechtskonservativen Kreise» auch kritisiere.

Man kann der Linken nicht verübeln, dass sie ihre Interessen vertritt. Ihre Gewerkschaften verdienten bereits ein Vermögen – weil ihnen der Müller-/Noser-/Gössi-Freisinn jeweils weit entgegenkam. Die FDP stimmt häufiger mit den Linken als mit der SVP. Man rief Geister und beklagt sich nun darüber, dass man sie nicht los wird.

Wer jetzt, am Ende einer Pandemie, die der öffentlichen Hand Kosten von 70-80 Milliarden Franken verursachte, für das neue CO2-Gesetz eintritt, und damit weitere massive volkswirtschaftliche Schäden in Kauf nimmt, sollte nicht anderen vorwerfen, sie wollten der Wirtschaft schaden.

Im Übrigen dürfte nur wenig die Linken weniger interessieren als die «Aktualisierung der Verträge». Ihnen geht es ums Geld, und nun treiben sie ihren Preis hoch. Ausserdem: Bewiesen sie in der Vergangenheit nicht zur Genüge, dass sie lieber Arbeitslose verwalten, als Arbeitsplätze schaffen?

Die FDP wünscht sich, dass die Aktualisierung der bilateralen Verträge mit unserem wichtigsten Handelspartner in einem institutionellen Abkommen geregelt und abgesichert wird. Falls die Linken diesen Weg nicht mittragen, braucht die Schweiz ein Fitnessprogramm für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Auf Feld Eins zurückzukehren und auf ein neues Abkommen zu hoffen, ist bestenfalls eine langfristige Option. Die Nachteile einer fehlenden Aktualisierung sind allerdings heute bereits spürbar und werden sich in Zukunft noch verschärfen. Kurzfristig muss die Schweiz deshalb noch effizienter werden, um die Nachteile der fehlenden Aktualisierung zu kompensieren. Erneut ist von «Aktualisierung der bilateralen Verträge» die Rede. Nichts scheint die Autoren weniger zu kümmern als der Inhalt dieser Verträge.

Auch der zweite Satz ist Ausdruck des intellektuellen und politischen Bankrotts: Die Gründer der modernen Schweiz, die einst sieben Bundesräte stellte, macht die Zukunft des Landes vom Wohlwollen der Linken abhängig. Schlimmer noch! Wörtlich wird – im Umkehrschluss – gesagt, die Schweiz brauche kein Fitnessprogramm für mehr Wettbewerbsfähigkeit, wenn die Linke den von den Autoren gewünschten Weg mittrage.

Inwiefern sind «die Nachteile einer fehlenden Aktualisierung [schon wieder!] allerdings heute bereits spürbar? – Hat die Schweiz etwa eine Vertragsbestimmung verletzt? Wenn nicht, was rechtfertigt dann die Nadelstiche der EU, auf die Müller/Noser vermutlich anspielen, ohne es klar zu schreiben? Verdient jemand das Vertrauen der Eidgenossenschaft, der ohne Fehlverhalten der Gegenseite – es sei denn, man betrachtet Entscheide von Volk und Ständen als Fehlverhalten – kleinliche Strafmassnahmen in die Wege leitet?

In einem Absatz dreimal «Aktualisierung»? Jeder Deutschlehrer würde Krämpfe kriegen.

Wir erinnern daran: Die grossen Liberalisierungen und Privatisierungen wurden erst möglich nach dem Nein zum EWR. Erst aufgrund dieser Krise in den 90er-Jahren realisierte die Schweiz, dass sie in ihre Wettbewerbsfähigkeit investieren muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wir bedauern es sehr, dass Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Privatsektors immer wieder zurückgestellt wurden, solange sich die Schweiz auf den bilateralen Verträgen ausruhen konnte. Das Volksnein führte damals zu einem Liberalisierungsschub im Innern: Plakate der Befürworter und Gegner der Abstimmungskampagne zum EWR-Beitritt 1992. Es gab nach dem EWR-Nein keine «grosse Liberalisierung». Eine solche wurde von der SVP zwar gefordert, aber von der Mehrheit der Eidgenössischen Räte abgelehnt. Hingegen kam es zu zahlreichen massiven Verschlechterungen der Standortqualität – die meisten mit den Stimmen der FDP, und viele davon sind auf Anpassungen an EU-Recht zurückzuführen.

Die Behauptung, die Schweiz ruhe sich auf den bilateralen Verträgen aus, ist infam. Es sind die Autoren, die bereits im Titel ihres Aufsatzes versprechen, mit der Ratifizierung des Rahmenabkommens liesse sich ein «Fitnessprogramm» abwenden. Das ist es, dass süsse Gift des Sozialismus, an dem sich Müller und Noser offenbar genüsslich labten.

Bundesrat muss geschlossen agieren Nein, der Bundesrat muss das Richtige machen, und richtig ist, was der Schweiz zum Vorteil gereicht.
Dem Gesamtbundesrat kommt in der Europafrage eine wichtige Führungsrolle zu. Er steht in der Verantwortung, führt die Verhandlungen und muss das Resultat öffentlich vertreten. In den letzten Jahren hat der Bundesrat die Dossierführung allerdings zunehmend aus der Hand gegeben und das Feld politischen Aktivisten überlassen, die nur ihren Partikularinteressen verpflichtet sind. Dadurch hat sich der Bundesrat in eine Sackgasse manövriert, aus der es nur drei Auswege gibt: Der Feststellung, dass der Bundesrat führungsschwach ist, ist zuzustimmen.
Der Bundesrat erreicht die Ziele des Verhandlungsmandats: Dann muss er sich geschlossen hinter das Abkommen stellen und dieses als Gremium gegenüber Parlament und Öffentlichkeit vertreten. Das Abkommen ist paraphiert. Die Verhandlung ist abgeschlossen. Es ist offenkundig, dass der Bundesrat seine Ziele nicht erreicht hat. Dass er seine Position als Kollegialbehörde zu vertreten hat, steht in der Bundesverfassung.
Der Bundesrat erreicht die Ziele des Mandates nicht: Dann fordern wir ihn auf zu prüfen, ob das vorliegende institutionelle Abkommen nicht doch besser ist als alle möglichen Alternativen. Auch das Ergebnis dieser Einschätzung muss der Bundesrat geschlossen nach aussen vertreten. Das Verfahren bei Staatsverträgen ist klar: Warum sollte der Bundesrat einen Vertrag, von dem er nach eigener Einschätzung nicht überzeugt ist, den Eidgenössischen Räten vorlegen?
Der Bundesrat lehnt das institutionelle Abkommen ab oder kann nicht geschlossen dahinterstehen: Dann muss er ein Fitnessprogramm für mehr Wettbewerbsfähigkeit vorlegen, damit die verschlechterte Wettbewerbsposition durch bessere innenpolitische Rahmenbedingungen abgefedert wird. Das wäre wohl das Vernünftigste. Allerdings wird der Bundesrat nichts tun, von dem er befürchtet, dass es Brüssel ärgern könnte.

Für ein «Fitnessprogramm» fehlen ihm der Mut und die Kraft. Standortverbesserung wäre Dauerauftrag jeder Regierung. Leider geben wir seit Jahrzehnten einen Standortvorteil nach dem anderen auf.

Ein gespaltener Bundesrat kann das Abkommen nicht ins Parlament tragen. Das würde nur zu einem gespaltenen Parlament und schliesslich zu einer gespaltenen Bevölkerung führen. Deshalb fordern wir den Bundesrat auf, sich geschlossen für die Interessen unseres Landes einzusetzen und das bestmögliche Verhandlungsresultat zu erzielen. Die Mitglieder des Bundesrates müssen sich in diesem Geschäft aus der Umklammerung ihrer Parteien lösen und im Interesse der Schweiz handeln. Der Bundesrat ist ein Regierungsgremium und keine Sekte. In ihm sitzen Politiker und keine Roboter.

Wenn eine Vorlage nicht zu überzeugen vermag, könnte das ja auch an der Vorlage liegen. Doch auf diesen Gedanken kommen die Autoren nicht einmal.

Solange die Unterstellung, Bundesräte würden sich nicht «für die Interessen unseres Landes einsetzen» weder begründet noch belegt sind, darf sie mit Fug und Recht ans infam qualifiziert werden.

Mögen die Autoren noch so sehr von ihrer Sendung und der absoluten Richtigkeit ihrer Meinung überzeugt sein, ist die Behauptung doch vermessen, nur diese diene dem Interesse der Schweiz.

Wettbewerbsfähigkeit aus eigener Kraft Leider bleibt das mit dem real existierenden Freisinn ein frommer Wunsch.
Selbstverständlich sollte die Schweiz ein neues Abkommen anstreben, falls das institutionelle Abkommen im Bundesrat keine Unterstützung findet. Doch das wird weder schnell noch einfach möglich sein. Damit die Wirtschaft auch weiterhin attraktive Arbeitsplätze in der Schweiz aufbauen und zum Wohlstand der Schweiz beitragen kann, ist sie auf gute Rahmenbedingungen angewiesen. Andernfalls suchen sich Unternehmen neue, attraktivere Standorte und die sozialen Errungenschaften geraten in Gefahr. Deshalb braucht die Schweiz bei einer Ablehnung ein Fitnessprogramm, das die Wettbewerbsfähigkeit garantiert. Das Fitnessprogramm muss mindestens folgende Bereiche umfassen: Es ist zu begrüssen, dass die Autoren der Schweiz noch immer die Kraft zuerkennen, die Standortqualität aus eigener Kraft zu verbessern.
1. Schaffung eines zeitgemässen Arbeitsrechts und Ausbau der Drittbetreuung. Einmal mehr verwenden die Autoren Floskeln. Nicht «zeitgemäss» ist das Kriterium, sondern die verhältnismässig freiheitliche Ausgestaltung des Rechts. In dieser Hinsicht schadet jede Anpassung an EU-Recht.

Im Unterschied zur oben erwähnten «Linken» sind Wirtschaftsverbände vor allem an billigen Arbeitskräften interessiert.

2. Flexibilisierung der Drittstaatenregelung zwecks Sicherung der nötigen Fachkräfte. Auch Ständeräte haben von Volk und Ständen einen klaren Auftrag erhalten, den es umzusetzen gilt.
3.Stärkung des Forschungsstandorts Schweiz, insbesondere, wenn die Teilnahme an Horizon Europe gefährdet ist. Eine ambitionierte, international ausgerichtete Wissenschaftspolitik. Nur Topqualität kann Ziel der Schweiz sein. Diese EU-Projekte sind in ihrer Wirkung massiv überschätzt. So schaffte es beispielsweise Frankreich als einzige Atommacht neben Pakistan nicht, einen Corona-Impfstoff auf den Markt zu bringen. Dafür ist man in Europa Spitzenreiter bei «Gender Studies».
4. Ein attraktives Steuersystem, das die Nachteile in der Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der Unsicherheit mit der EU voll kompensiert. Die Schweiz muss zu den konkurrenzfähigsten Steuerstandorten in Europa zählen. Auch hier sind die meisten Verschlechterung des Steuerstandorts auf Anpassungen an EU-Recht zurückzuführen.

Insbesondere der Kampf gegen den Steuerwettbewerb, der die Interessen der Menschen und Unternehmen über jene des Fiskus stellt, ist für den Standort Schweiz tödlich.

In der Schweiz werden Maximalsteuersätze zum Schutz der Menschen und Unternehmen in der Verfassung verankert. In der EU werden im Interesse des Fiskus Minimalsteuersätze in den Verträgen festgeschrieben. Weder Müller noch Noser dürften den Ansatz der EU für besser halten…

5. Der Staat soll sich aus allen gewerblichen und wirtschaftlichen Bereichen zurückziehen, in welchen der Wettbewerb gleich gute oder bessere Resultat erbringt. Richtig. Wann fangen Müller/Noser damit an, die SVP bei dieser Forderung zu unterstützen?
6. Stärkung der digitalen Schweiz und ihrer Infrastruktur Ist das jetzt wieder eine Staatsaufgabe?
7. Aushandlung von zusätzlichen Freihandelsabkommen mit den wichtigsten Handelspartnern ausserhalb Europas. Richtig!
Eine Willensnation muss mehr wollen, als nur Nein zu sagen. Sie braucht eine gemeinsame Ausrichtung, eine Perspektive. Ob die Willensnation Schweiz auch in Zukunft handlungsfähig bleibt, hängt von der Geschlossenheit und vom Führungswillen des Bundesrates ab. Der Bundesrat muss im Interesse des Landes einig handeln. Nun braucht es den Mut und die Grösse zur Einigkeit. Und zum Schluss noch ein weiterer Gemeinplatz.