Meine Beanstandung gegen den SRF-Rundschau-Beitrag „Bomber der Lüfte“

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Esther

Gestützt auf Artikel 4 und 5 RVG beanstande ich eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots durch Fernsehen SRF.

Es geht um folgende Sendung: «Rundschau» vom 2. Februar 2022 – Beitrag: Bomber der Lüfte

https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/e891becb-ad6c-474a-b5c2-9e47db985585

Was als «exklusive Recherche der SRF-Investigativ-Redaktion» angepriesen wurde, entpuppte sich als die übliche Stimmungsmache gegen die Landesverteidigung und die Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs.

44 Sekunden Anmoderation genügen Dominik Meier für gleich drei Falschaussagen:

  1. Er behauptet, Ziel der Aktion sei ein «feindlicher Militärkommandant», was offensichtlich Unsinn ist und von mangelnder Sachkenntnis zeugt. Es geht nicht um eine Person, sondern um die Zerstörung gegnerischer Infrastruktur.
  2. Eine Mission ist nicht mit dem Abwurf einer Bombe erfüllt, sondern mit der Vernichtung des Ziels. Wer schon einmal eine Waffe in der Hand hatte kennt den Unterschied.
  3. Es wird behauptet «diese Kriegsszenarien» seien «bisher geheim» gewesen. Diese Behauptung wird im Beitrag durch die Aussage von Bundesrätin Amherd vom vergangenen Juni widerlegt, dass sie nicht beabsichtige «Berlin zu bombardieren». Da anzunehmen ist, dass Meier den Inhalt des Beitrags kannte, stellt sich die Frage, warum er an der falschen Darstellung festhielt.

Instrumentalisierung – cui bono?

Offenbar ist die «Rundschau» durch irgendeine Indiskretion in den Besitz der Unterlagen gekommen, auf denen der ganze Beitrag aufgebaut wurde. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch wer gleich so oft betont, er sei «Investigativ-Reporter» sollte auch zeigen, dass er der Wahrheit, der ganzen Wahrheit und nichts als der Wahrheit verpflichtet ist.

So stellt sich beispielsweise die naheliegende Frage, wer ein Interesse daran haben könnte, dass die «Rundschau» einen solchen Beitrag fabriziert und publiziert. Glauben die beiden «Investigativ-Journalistinnen», Nadine Woodtli und Nina Blaser, tatsächlich, jemand habe ihnen die Unterlagen aus reiner Nächstenliebe zugespielt?

Angesichts der Tatsache, dass sich die «Republik» gerade gegen den Vorwurf wehren muss, sie werde von Eurofighter-Lobbyisten Instrumentalisiert ( https://www.nebelspalter.ch/ente-die-%C2%ABrepublik%C2%BB-als-sprachrohr-europaeischer-ruestungskonzerne ), sollte auch SRF ein grosses Interesse daran haben, jeden entsprechenden Verdacht im Keim zu ersticken.

Zur Machart

Die reisserische Aufmachung bereits zu Beginn des Beitrags offenbart eine politische Absicht. Bild, Ton und Schnitt machen klar: Da soll kein Sachverhalt vermittelt, sondern eine Stimmung vermittelt werden. Das «Investigativ» dient lediglich der Tarnung.

Es ertönt dramatische Musik, und es werden Bilder von F-35 Kampfjets in verschiedenen Situationen gezeigt.

Dann spricht die Stimme aus dem Off von «unbekannten Kriegsszenarien». Das wird nicht substanziiert. Insbesondere wird nicht ausgeführt, was unbekannt sein soll. Arbeiten bei SRF tatsächlich Journalisten, die überrascht sind, dass ein Kriegsflugzeug für kriegerische Zwecke eingesetzt wird?

Gegenwärtig verfügt die Schweizer Luftwaffe über F/A-18 Hornet Kampfjets. Sollte es tatsächlich so sein, dass die SRF-«Investigativ-Journalistinnen», Nadine Woodtli und Nina Blaser nicht wissen, dass das «F» für «Fight» und das «A» für «Attack» steht, so wäre das oberpeinlich, und die beiden wären für ihre Aufgabe schlicht nicht qualifiziert. Tatsache ist jedenfalls, dass der Angriff schon bisher zum «Programm» unserer Luftwaffe gehörte.

Ein «investigativ-Journalist» dem es um die Wahrheitsfindung geht, hätte an dieser Stelle abgebrochen, weil schlicht und einfach keine Story vorhanden ist.

Nicht aber SRF! Die schüren weiter die Stimmung.

Ein seriös wirkender Experte, dessen Name und Funktion den Zuschauern noch vorenthalten wird, sagt:

«Das ist meiner Meinung nach ausserordentlich heikel.»

Die Zuschauer haben keine Ahnung, worum es geht. Kritisiert er etwa die undichte Stelle im VBS?

Dann wieder die Stimme aus dem Off: «Die Schweiz im Krieg?». Worauf eine mütterliche Viola Amherd versichert, es sei kein Evalutionskriterium gewesen, Berlin zu bombardieren.

Wieder die Stimme aus dem Off: «Nicht Berlin bombardieren, aber Ziele im Süden Deutschland oder in Tschechien.»

Es wird suggeriert, Frau Amherd habe von der Wahrheit ablenken wollen, die nur dank der unermüdlichen Arbeit der «investigativ-Journalistinnen Woodtli und Blaser endlich ans Licht kommt. Es wird nicht explizit gesagt, aber beim durchschnittlichen Zuschauer soll der Eindruck entstehen, Frau Amherd habe an einer Medienkonferenz bewusst gelogen. Dass diese Medienkonferenz bereits vor mehr als einem halben Jahr stattfand, und Frau Amherd also genau zu der Frage Stellung nahm, die Gegenstand des zur Debatte stehenden «Rundschau»-Beitrags ist, wird nicht erwähnt, da dies den Narrativ von den «unbekannten Kriegsszenarien» zum Einsturz brächte.

Noch mehr Stimmungsmache: Ein weiterer, ebenfalls seriös wirkender Experte sagt:

«Wenn das passiert, dann sind wir im Krieg.»

Der Zuschauer hat keine Ahnung, wovon der Mann spricht. Das ist die Absicht der Macher. Das Publikum soll Angst kriegen und denken, im VBS seien Generäle vom Typ Jack D. Ripper aus Stanley Kubricks im Film «Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben» am Werk.

Nur für jene, die Peter Schneider kennen, ist klar, dass dieser genau das Gegenteil von dem meinte, was ihm die «SRF-Investigatoren» aus dem Zusammenhang gerissen in dem Mund legen. Schneider ist keineswegs der Meinung, dass bereits Planung und Vorbereitung eines Angriffs einen kriegerischen Akt darstellen. Er stellt vielmehr klar, dass im Falle eines Krieges für die Verteidigung auch Präventivschläge nötig sein können. Sein Satz «Wenn das passiert, dann sind wir im Krieg.» bedeutet, dass im Ernstfall auf Landesgrenzen keine Rücksicht genommen werden kann.

Dass das später im Beitrag «korrigiert» wird ändert nichts am Umstand, dass zur Stützung einer These bewusst ein falscher Eindruck vermittelt wurde. Und wir haben es hier mit Profis zu tun, die genau wissen, wie ein Beitrag aufgebaut werden muss, damit bestimmte Botschaften hängen bleiben.

Wie einst Woodward und Bernstein, die machten, was «Deepthroat» ihnen riet und auftrug, machen sich Woodtli und Blaser ans Werk. Sie schreiten über einen Platz und wedeln mit einem Mäppchen, das Informationen enthält, die geheimer nicht sein könnten. Um die Spuren der Herkunft, also denjenigen, der die beiden «Investigativ-Journalistinnen» für seine Zwecke instrumentalisiert, zu schützen kriegen die Zuschauer nur eine angepasste Version zu sehen.

Die beiden Frauen sind sich der Bedeutung ihres Auftrags bewusst. Egal, ob sie aufs SRF-Gebäude zuschreiten, auf einem Sofa sitzen, sich ein Sichtmäppchen reichen, Lift oder Auto fahren, in den Bildschirm starren oder in die Kamera sprechen. Ihre todernsten Gesichter lassen keinen Zweifel zu: Die Lage ist ernst.

Allerdings muss man immer wieder an den getretenen Quark denken, der breit wird, aber nicht stark.

Es ist schlicht und einfach kein Fleisch am Knochen.

Linker Narrativ

Kritik an der Beurteilung der sicherheitspolitischen Lage durch das VBS und den Bundesrat gehört zum Standardrepertoire der Linken. Auch SRF ist dabei regelmässig mit von der Partie:

Am 14. März 2010 ging es um die Gefahrenkarte von CdA André Blattmann: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/aerger-ueber-gefahrenkarte-von-blattmann?urn=urn:srf:video:99bad301-2e00-4ffd-b632-3349944bd77d

Dass die «Investigativ-Reporter» im Beitrag über den F-35 von SRF nach identischem Dispositiv verfahren, ist entlarvend. Ginge es ihnen um die Wahrheit, würden sie heute Blattmans Referat analysieren und dabei feststellen, dass er über weite Strecken richtig lag.

Die SRF-Vorgabe wurde in der Folge unter anderem von der GSoA dankbar aufgenommen: https://www.gsoa.ch/gsoa-erhalt-zusatzliche-bedrohungsszenarien-der-ar/

Leider ist der verlinkte Tages-Anzeiger-Artikel nicht mehr auffindbar.

Im Tages-Anzeiger vom 15. März 2010 findet sich allerdings noch folgende Nachricht: «Schweizer Armee wappnet sich für Unruhen in Europa – Armeechef André Blattmann hält offenbar nicht nur Griechenland für eine Gefahr für die Schweiz (TA vom Mittwoch), sondern auch klassische Feriendestinationen wie Frankreich, Italien und Spanien. Jedenfalls finden sich diese Länder auf einer Karte mit dem Titel «Bedrohungen/Risiken für die Schweiz», die Blattmann bei einer Präsentation vor der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats zeigte, wie die Zeitung «Sonntag» berichtete. Kommissionspräsident Jakob Büchler will den Armeechef nun zur Rede stellen, wie er dem Schweizer Fernsehen sagte. (TA)

Die Aargauer Zeitung zum gleichen Thema: https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/nach-italien-schnitzer-armeechef-blattmann-muss-vortraben-ld.2010036

https://www.luzernerzeitung.ch/verschiedenes/armee-rustet-sich-fur-unruhen-in-europa-ld.1618759

Am 10. Oktober 2012 legte die GSoA nach: https://www.gsoa.ch/armee-ruestet-sich-fuer-unruhen-europa/

Es ist festzustellen, dass es die Linke und ihre Helfer sind, die hier ein Feindbild pflegen, indem sie dem VBS ihrerseits immer wieder vorwerfen, Feinbilder zu pflegen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht darauf ankommt, was der Inhalt der VBS-Studien ist: Richten sie das Augenmerk auf westliche Nachbarn, wird das kritisiert, blicken sie – ohne Nennung konkreter Staaten! – nach Osten, werden sie dafür kritisiert; nota bene von den gleichen Medien, die nicht müde werden, «Putins Russland» als grosse Bedrohung zu kolportieren.

Manipulation des Materials

Fakten und Dokumente so zu verändern, dass sie die eigenen Thesen stützen, ist ein Akt der Manipulation und verstösst auch gegen Artikel 1 der Erklärungen im Journalistenkodex des Presserats: [Journalisten] «halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren.»

Für Journalisten, die sich mit dem Prädikat «investigativ» schmücken sind diesbezüglich besonders hohe Anforderungen zu stellen. Diesen ist die «Rundschau» nicht gerecht geworden.

In weiser Voraussicht arbeiteten die VBS-Verantwortlichen mit Karten, auf denen ausser der schweizerischen keine Staatsgrenzen eingezeichnet sind. Aufgrund einschlägiger Erfahrungen mussten sie davon ausgehen, dass ihre Absicht verdreht wiedergegeben wird – was durch SRF ja auch geschehen ist: Dem Publikum wurde nicht die Karte gezeigt, die das VBS in seiner Ausschreibung verwendete.

Investigativ vs. deskriptiv

Die Einführung der Kategorie «Investigativ» ist nicht nur lächerlich sondern auch schädlich, weil sie zwei Kategorien von Journalisten schafft, von denen offenbar nur die eine wirklich der Wahrheitsfindung verpflichtet ist, während die andere für das Deskriptive zuständig ist.

Dieser Tweet gibt Einblick in die bei «SRF-Investigativ» offenbar herrschende Denkweise:

https://twitter.com/SRFinvestigativ/status/1489576205305229313?s=20&t=1GLf6bd2Z9ibz3G73sTN5A

Der Satz «Der Beitrag war ausgewogen, die Kampfjetbefürworter in der Mehrheit.» ist idiotisch. Wenn eine Seite in der Mehrheit ist, kann der Beitrag nicht ausgewogen sein.

Die Ausgewogenheit ist hier nicht einmal das Hauptproblem. Diese ist vor allem dann wichtig, wenn über einen strittigen Sachverhalt berichtet wird. Wenn A und B eine Sache unterschiedlich beurteilen, sollen beide Standpunkte angemessen und gleichberechtigt kolportiert werden.

Anders verhält es sich jedoch, wenn «Investigativ-Reporter» einer bestimmten These nachgehen, was vollkommen legitim ist. In diesem Fall geht es einzig und allein um Verifikation und Falsifikation. Das ist es, was die «Investigativ-Recherche» von der «Deskriptiv-Recherche» abhebt. Nur die Wahrheit zählt. Dementsprechend hoch sind die Ansprüche an die intellektuelle Redlichkeit.

Es ist darum sogar unerheblich, was Parteienvertreter zu sagen haben. Erst recht spielt das Zahlenverhältnis keine Rolle. Die Wahrheit ist ein Wert per se und lässt sich nicht demokratisch ermitteln.

Die «Rundschau» stellt folgende Vorwürfe in den Raum:

  1. Das VBS arbeitet mit geheimen Kriegsszenarien.
  2. Das VBS verletzt die Pflicht zur Neutralität, indem es Luftangriffe auf ausländischem Territorium nicht nur in Betracht zieht, sondern die Befähigung zum Evaluationskriterium erhebt.

Beide Vorwürfe halten der Überprüfung nicht stand:

Nur weil das VBS keine Anzeigenkampagne über im Kriegsfall mögliche Präventivschläge führt, heisst das nicht, dass irgendwelche Geheimniskrämerei betrieben würde.

Es ergibt sich aus der Natur des Verteidigungsauftrags der Armee, dass auch Angriffe ausserhalb des schweizerischen Territoriums in Betracht kommen müssen.

Auch wenn unsicher ist, ob das berühmte Zitat «Angriff ist die beste Verteidigung» tatsächlich von Carl von Clausewitz stammt, ist seine Richtigkeit jedem Schulkind einsichtig. Folgerichtig planen auch die Experten der Schweizer Armee – anhand fiktiver Szenarien! – Präventivschläge auf Regionen im Ausland, von denen im Kriegsfall ein Angriff ausgehen könnte.

Würde die Armeeführung keine solchen Szenarien durchdenken und ihre Beschaffungspolitik darauf ausrichten, würde sie ihren Auftrag nicht erfüllen und müsste abgesetzt werden.

Mit freundlichen Grüssen

Claudio Zanetti