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Der Freisinn auf dem Pfad der Selbstzerstörung

Die Interessen des Staatsapparats über diejenigen seiner Bürger zu setzen, ist nichts Neues. Das war bei den Kommunisten so, und das war bei den Faschisten so. Neu ist allerdings, dass immer mehr Freisinnige Marcus Tullius Ciceros Imperativ in den Wind schlagen, wonach der Staatsdienst zum Nutzen derer geführt werden muss, die ihm anvertraut werden, und nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist.

Anstatt auf die Maxime zu vertrauen, die ihn einst stark gemacht haben, und unserem Land zum Wohle gereichten, frönt der Freisinn in zunehmendem Masse der Selbstzerstörung. „Eigenverantwortung“, „Schutz des Bürgers vor dem Staatsapparat“, „Unschuldsvermutung“, „Freiheit des Wortes“, „Unabhängigkeit und Souveränität“ all diese Werte wurden von der FDP in den letzten Jahren preisgegeben, als wären sie ebenso toxisch wie gewisse Wertpapiere ihrer Freunde.

Den vorläufigen Höhepunkt der freisinnigen Selbstzerstörungskampagne liefert der Solothurner Finanzdirektor Christian Wanner, der in seiner Eigenschaft als Präsident der paraparlamentarischen Finanzdirektorenkonferenz eine Weissgeld-Strategie“ fordert, die nicht nur für Ausländer, sondern auch für Schweizer Anleger gelten soll. Bankkunden sollen künftig belegen, dass ihre Einzahlungen versteuert sind. Es gehe schliesslich nicht an, dass ausländische Steuerämter über die längeren Spiesse verfügten. In Verletzung eines zentralen freiheitlichen Anliegens werden alle Bürger dem Verdacht ausgesetzt, den Staat betrügen zu wollen. Falls dem nicht so sein sollte, haben sie ihr Wohlverhalten zu beweisen. Es gilt die Schuldvermutung.

Herr Wanner will gleichlange Spiesse? Spiesse sind Waffen. Und warum soll ich meiner Regierung Waffen in die Hände geben, die sie gegen mich einzusetzen gedenkt? Wenn schon von Waffen die Rede ist, dann will ich Waffen, mit denen ich siegen kann. Das wären also längere Spiesse. Doch will ich längere Spiesse für die Schweiz und nicht für unsere Steuerämter.

Dass man beim Freisinn vergessen hat, dass der Staatsapparat für den Bürger da ist und nicht umgekehrt, ist schon schlimm. Verheerend ist allerdings, dass sich immer mehr Freisinnige auch noch auf die Seite des Apparates stellen.

Macht, wofür ihr gewählt und bezahlt seid!

Während zweier Tage war der Zürcher Regierungsrat in Brüssel zu Besuch, um die bilateralen Beziehungen Schweiz–EU zu diskutieren. Der Regierungsrat des Kantons Zürich ist die siebte Schweizer Kantonsregierung, welche vor Ort „die Temperatur fühlen und Eindrücke gewinnen“ wollte. Nach Angaben von Regierungspräsidentin Aeppli sollen es „sehr, sehr intensive Tage mit vielen Gesprächen“ gewesen sein. Es müsse nun ein Diskurs über das Verhältnis Schweiz-EU stattfinden.

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Weder in der Bundes- noch in der Kantonsverfassung findet sich eine Bestimmung, wonach der Regierungsrat für Fragen der Aussenpolitik kompetent ist. Doch der linke Flügel der Zürcher Regierung („Drei gewinnt!“) diskutiert lieber in Brüssel über Probleme, die keine sind, anstatt in Zürich echte Probleme zu lösen. So wüssten die Zürcher Bürger und Steuerzahler nur allzu gerne, wie die angekündigten Kostensenkungen im Umfang von 1,4 Mia. Franken realisiert werden sollen. Bisher wissen wir lediglich, dass sich Genossin Aeppli darum foutiert. Und der Trip nach Brüssel ist nicht gerade geeignet, das Vertrauen in den Sparwillen des Regierungsrats zu stärken.

Aber wären da nicht noch vier andere, die für Ordnung sorgen müssten/könnten/sollten?

Wenn Datenschutz zur Groteske verkommt

In einem Kanton, in dem – selbstverständlich auf Kosten der Steuerzahler – das Recht eines Geissbocks am eigenen Bild eingeklagt werden kann, während gleichzeitig die Privatsphäre des Bürgers und insbesondere diejenige von Bankkunden zunehmend mit Füssen getreten wird, vermag eigentlich kaum mehr etwas zu erstaunen. Doch vergangene Woche mussten wir erfahren, dass sich auf dem Gebiet des Datenschutzes jede Groteske noch übertreffen lässt:

Da gibt es einen Goldschmied, der, nachdem er innert 13 Jahren siebenmal Opfer von Einbrüchen geworden ist, in und um seinen Laden herum Foto- und Videokameras installierte. Und prompt machten sich vor Kurzem erneute zwei jugendliche Ganoven mit Brecheisen an seiner Eingangstür zu schaffen. Dass es sich um junge Täter handelt, ist auf den Bildern klar zu erkennen. Nicht nur das: Zumindest von einem Täter konnte auch das Gesicht in tadelloser Qualität festgehalten, werden. Es würde sich vorzüglich zu Fahndungszwecken eignen.

Der Mediensprecher unserer Kantonspolizei, die den Auftrag hat, das verfassungsmässig Recht auf Eigentum, zu schützen, versicherte ebenfalls vor einer Kamera – allerdings der eines TeleZüri-Journalisten – wie leid es ihm tue und wie sehr er Verständnis habe für die Frustration des Geschäftsinhabers, doch das Bildmaterial dürfe aus Gründen des Datenschutzes nicht verwendet werden. Die Bevölkerung könne nämlich nur bei schweren Delikten um Mithilfe ersucht werden. Als handelte es sich bei Einbruch und Diebstahl um Lappalien.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, sollten unsere Gesetze die Interessen von Straftätern tatsächlich in dermassen stossender Art und Weise über diejenigen der rechtschaffenen Bevölkerung stellen, und sollte sich auf dem Wege der Auslegung keine Abhilfe erreichen lassen, so sind diese Gesetze schleunigst zu ändern. Wir von der SVP sind allerdings nicht gewillt, zu warten, bis sich der Herr Justizdirektor und der Herr Sicherheitsdirektor dazu bequemen, Massnahmen in die Wege zu leiten, um dieser Schindluderei mit unserem Rechtsstaat ein Ende zu setzen.

Der Schutz des Eigentums ist von derart eminenter Bedeutung, dass die Verfolgung und Bestrafung von Einbrechern, Dieben und Räubern keinen Aufschub erträgt. Wir von der SVP haben uns daher dazu entschlossen, das Filmmaterial, das uns vom erwähnten Goldschmied freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, auf der Website www.schurken.ch zu veröffentlichen. Sachdienliche Hinweise richten Sie bitte an die Telefonnummer 117 oder an jede Polizeidienststelle.

Ein Banker für das Bankkundengeheimnis? Unglaublich!

Soeben wurde ich von einem Journalisten gefragt, was ich dazu sage, dass sich mein freisinniger Kantonsratskollege, Hans-Peter Portmann, für den Erhalt des Bankundengeheimnisses stark mache. Ob er angesichts seines Berufs als Bankdirektor überhaupt glaubwürdig sei.

Ist ein Journalist noch glaubwürdig, wenn er für die Medienfreiheit kämpft?

Patentrezept gegen Spekulation

Aus dem Spiegel: „Spekulanten wie George Soros machen derzeit Bombengeschäfte: In der Griechen-Krise wetten sie mit Milliarden auf die Pleite des Landes – und verschärfen damit die Probleme der Athener Regierung. Deutschland und Frankreich wollen manche Finanzdeals nun ganz verbieten.“

Der noch gestern als Philanthrop, Unterstützer linkslastiger Nichtregierungsorganisationen und Kämpfer gegen den Klimawandel gefeierte George Soros ist also ab sofort wieder ein „bad guy“. So schnell kann das gehen. Es reicht, der unfähigen Politikerkaste in die Quere zu kommen.

Konsequenz politischer Fehlentscheide

Einige Euro-Staaten haben ihre Finanzen noch weniger im Griff als die restlichen. Doch da sich die Mitglieder von „Euro-Land“ unverbrüchliche Treue geschworen haben, droht der Absturz des ganzen Systems, was für ganz Europa schwerwiegende folgen haben dürfte. Das war absehbar. Wer seinerzeit den Bericht der EU-Kommission gelesen hat, wer, warum Mitglied des elitären Clubs werden soll, realisierte unweigerlich, dass da eine ökonomische zu einer politischen Frage gemacht und darum falsch beantwortet wurde. Man brauchte kein Ökonom zu sein, um das zu erkennen. Einzig der von Deutschland geforderte Stabilitätspakt („Maastrichter-Kriterien“) liess auf finanzpolitische Tugend hoffen. Doch auch diese hat sich inzwischen zerschlagen. Die als ehern bezeichneten Kriterien werden heute von keinem einzigen Euro-Land eingehalten.

Ganz normale Wetten

Schuld an der gegenwärtigen Misere sollen also nach Meinung von Merkel, Sarkozy und Konsorten die Spekulanten sein. Eine plausible Begründung dafür wird freilich nicht abgegeben. In linkspopulistischer Manier, die derjenigen eines Hugo Chavez in nichts nachsteht, wird gefordert, den Spekulanten das Handwerk zu legen. Doch was haben die Spekulanten denn Böses getan? Sie haben Wetten abgeschlossen, ob eine bestimmte Währung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Wert hat. Das ist nicht verwerflicher, als über die Fussballergebnisse vom nächsten Wochenende zu wetten. Genau wie der Fussballwettende Stärken und Schwächen „seiner“ und der gegnerischen Mannschaften auszunutzen versucht, analysieren Währungsspekulanten wirtschaftspolitische Schwächen, und versuchen daraus Profit zu schlagen. Dass sich sozialistisch geführte Staaten in dieser Hinsicht als Fundgruben erweisen, vermag nicht wirklich zu überraschen.

Die derzeit kritisierten Spekulanten tun nichts anderes, als die Unfähigkeit der Politiker, die zu Unsicherheit führt, auszunützen. Dementsprechend einfach ist es im Grunde auch, sich vor Spekulanten zu schützen. Alles was es braucht, ist eine solide Ordnungspolitik, also einen geordneten Staatshaushalt.

Wenn die Linke bestimmt, wer zur Beschwerde legitimiert ist

Das Bundesgericht zu Lausanne – genauer die Bundesrichter Müller (CVP), Merkli (Grüne) und Zünd (SP) – sind nicht auf meine Beschwerde eingetreten, in der ich eine Verletzung der Gewaltentrennung durch den Zürcher Regierungsrat gerügt hatte. Letzterer hatte nämlich – unter dem Druck einer widerrechtlichen Kirchenbesetzung durch so genannte Sans-papiers – der Einsetzung einer Härtefallkommission zugestimmt, obwohl der Kantonsrat zuvor wiederholt gegenteilige Beschlüsse gefasst hatte.

Die Begründung des Bundesgerichts finden Sie hier: bger-urteil-hartefallkommission.pdf

In diesem Zusammenhang gab ich letzten Montag im Kantonsrat die folgende Erklärung ab:

„Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen

Vor ein paar Tagen liess sich unser allseits geschätzter Justizdirektor im Tages-Anzeiger mit folgender Aussage vernehmen: „Jeder Entscheid einer Behörde ist anfechtbar.“ Und weiter: „Der Bürger soll sich bei einer unabhängigen Stelle wehren können, falls eine Behörde etwas in willkürlicher Art entscheidet. Das gehört zu den Grundsätzen unseres Rechtsstaats.“ Schliesslich könne man niemandem die Möglichkeiten des Rechtsstaats verwehren.

Es ging konkret um einen Betrüger, der zu insgesamt vier Jahren Gefängnis und einem dreijährigen Berufsverbot verurteilt worden war, und noch immer frei herumspaziert. Sie wissen ja: Die Möglichkeiten des Rechtsstaates…

Etwas völlig anderes ist es freilich, wenn sich ein Mitglied dieses Rates vor Bundesgericht dagegen zur Wehr setzt, dass sich die Zürcher Regierung mit der Einsetzung der so genannten Härtefallkommission über einen wiederholten Beschluss ebendieses Hauses hinweggesetzt hat. Der Regierungsrat ist zwar eine Behörde, und es liegt ein Entscheid vor. Doch ein Kantonsrat kann dagegen nach Ansicht des Bundesgerichts keine Beschwerde erheben, in der er die Verletzung der Gewaltentrennung rügt. Als Schweizer Bürger fehle ihm dazu die Legitimation.

Diese Rechtsverweigerung könnte natürlich auch daran liegen, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Kriminellen handelt. Naheliegender ist allerdings die Vermutung, dass sich seine politischen Intentionen mit denen des Gerichts nicht decken und ein materielles Urteil vermieden werden sollte.

Hier, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wird es heikel. Eine politische Justiz ist eine gefährliche Justiz. Und all diejenigen, die sich nun freuen, sollten bedenken, dass sich politische Umstände auch ändern können.“

Was ist schon fair?

Es ertönt wieder einmal der Ruf nach Fairness. Ein bürgerliches Komitee fordert „faire Renten“ und will uns so die Senkung des Umwandlungssatzes für die Berechnung unserer Renten schmackhaft machen. Sind also tiefe Renten faire Renten? Oder sind Renten dann fair, wenn sie langfristig sicher sind? Und warum soll es bei Bananen umgekehrt sein? Warum gilt deren Preis dann als fair, wenn er höher als üblich ist? Ist nicht das fair, worauf sich zwei Parteien im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte einigen? Wie dem auch sei, angesichts der inflationären Verwendung der Begriffe „Fairness“ und „fair“ soll an dieser Stelle, einmal der Frage nachgegangen werden, ob diese Kampfbegriffe überhaupt ins Vokabular seriöser Politiker gehören.

Angenommen, ich müsste ein Wettrennen gegen Usain Bolt bestreiten. Wer um meine sportlichen Qualitäten weiss, ist bestimmt damit einverstanden, dass mir der Olympiasieger und Weltrekordhalter aus Jamaika der Fairness halber einen (grossen) Vorsprung einräumen müsste, damit wir die Ziellinie zumindest annähernd gleichzeitig überqueren würden. Es kann also sein, dass wir für faire Bedingungen, oder dem, was wir dafür halten, ganz bewusst Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, ja diese sogar schaffen.

Am lautesten wird Fairness von den Sozialdemokraten und ihren Verbündeten eingefordert. Sie sprechen allerdings auch synonym von (sozialer) Gerechtigkeit, wobei unter diesem Stichwort so ziemlich gegen jede Ungleichheit zu Felde ziehen. Wenn einer mehr verdient als der andere, so interpretieren sie dies reflexartig als Ungerechtigkeit und nicht etwa als Resultat unterschiedlichen Handlungsgeschicks, unterschiedlicher Ausbildung oder Leistung. Ausserordentliche Leistung ist ihnen ohnehin zuwider. Als Mittel dagegen haben sie eigens progressiv ansteigende Einkommenssteuern erfunden, was im Grunde eine Lenkungsabgabe gegen Arbeit ist. Ist das fair? Und ist das klug?

In Ihrem Kreuzzug gegen das Unrecht dieser Welt ersetzen die Sozis in der Regel altes Unrecht durch neues Unrecht. Zum Beispiel in der Schule, wo sie die schwachen Schüler durch die „Bildungsfernen“ ersetzten. Ein unsäglicher Begriff, der klar machen soll, dass lediglich widrige äussere Umstände für die schlechten Noten verantwortlich sind. Da hilft natürlich alles Lernen nichts, nur noch staatlicher Geldsegen, und, als hätte jemals ein gesunder Apfel einen kranken angesteckt, werden die schwachen Schüler in Klassen gesteckt, in die sie von ihren Fähigkeiten her ganz einfach nicht gehören. Und kein Genosse stört sich daran, dass diese Zwangsintegration gegenüber dem starken und leistungswilligen Schüler im höchsten Masse unfair ist. Empörung wird erst dann wieder laut, wenn sich zeigt, dass „bildungsnahe“ Eltern ihren Kindern, bei den Hausaufgaben helfen oder sogar Nachhilfestunden finanzieren. Das sei unfair heisst es dann aus der linken Ecke, denn schliesslich seien bildungsferne Eltern insbesondere wegen ihres „Migrationshintergrunds“ dazu nicht in der Lage. Und zur Abhilfe wird – ganz im Sinne radikaler sozialistischer Gleichmacherei – die Abschaffung der Hausaufgaben empfohlen. Dass die Umsetzung dieses Vorschlags ausnahmsweise nichts kosten würde, vermag allerdings nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das Bildungsniveau dadurch noch tiefer sinken würde.

Jemand sollte den Genossinnen und Genossen sagen, dass die Welt, ja die Natur, nicht fair ist. Das gilt es, so zu akzeptieren. Es gibt nun einmal Ungerechtigkeiten, die nicht der Gesellschaft angelastet werden können, und die sich nicht durch Umverteilen von Geld beseitigen lassen. Die Menschen sind nun einmal unterschiedlich gescheit, unterschiedlich stark, unterschiedlich alt, unterschiedlich schön und unterschiedlich sympathisch. Und das ist gut so. Daran kann zum Glück auch die Politik nichts ändern.

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Erschienen in der Berner Zeitung vom 6. März 2010

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