Archiv der Kategorie: Rechtsstaat

Im Norden nichts Neues

Auch wenn in Deutschland der Widerstand gegen Hitler mit jedem Tag, der seit Ableben des Führers verstreicht, wächst, und sich sämtliche – sich als demokratisch bezeichnende – Parteien den „Kampf gegen Rechts“ aufs Banner geschrieben haben: Von gewissen totalitärer Traditionen können und wollen sich unsere nördlichen Nachbarn einfach nicht verabschieden. So frönen sie nach wie vor dem Denunziantentum, das der Gestapo und später der Stasi Funktionieren und Überleben erst ermöglichte. Genauso wie man seinerzeit den Nachbarn wegen Abhörens von Feindsendern bei der Obrigkeit verpetzte, fordert man heute die Kooperation mit Kriminellen. Schliesslich geht es um ein so fürchterliches Verbrechen wie Steuerhinterziehung. Die Idee, dass es der deutsche Staat selbst in der Hand hätte, sein Steuersystem so auszugestalten, dass erst gar niemand auf den Gedanken kommt, sein Geld im Ausland in Sicherheit zu bringen, ist etwa so verbreitet wie die Proteststürme nach der „Reichskristallnacht“.

In einem Land, das innert hundert Jahren einem Kaiser, einem Führer und einer Einheitspartei zujubelte, wird weder die Frage nach der Legitimität einer Massnahme noch nach allfälligen politischen Folgen gestellt. Man ist flexibel und bezeichnet Prinzipienlosigkeit als Pragmatismus. Was kümmern jemanden, der sich als Übermensch betrachtet, schon die Interessen und Rechte eines kleinen Binnenlandes? Für die Taliban gibt’s Ausstiegsgeld, für die Schweiz die Peitsche. So will es die Staatsräson.

Nachbar oder nicht, wenn es den eigenen Zielen dient, droht Berlin mit der Kavallerie – als wären wir Schweizer ein Stamm Hereros. Und wie ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte die Meinung, Deutschland komme zu kurz und kämpfe lediglich um den ihm zustehenden Platz an der Sonne. Auch in Sachen „Bankgeheimnis“ ist das so: In bekannter Manier wird so getan, als gelte es, sich gegen einen Angriff zu verteidigen. Auch der Krieg gegen Polen war schliesslich nur eine Reaktion auf den Überfall auf den Sender Gleiwitz.

Während sich die Schweiz in Formalitäten ergeht, entscheiden andere

Wenn behauptet wird, die Mühlen der Justiz würden langsam mahlen, so trifft das auf die Schweizer Justiz in ganz besonderem Ausmass zu. Ob dies daran liegt, dass die eidgenössischen Richter viel gründlicher arbeiten, oder ob sie nur eine stärkere Gewerkschaft haben, bleibe dahingestellt. Tatsache ist jedenfalls, dass im Ausland Entscheide häufig wesentlich rascher fallen.

So wurden in Frankreich soeben drei Wochenblätter dazu verurteilt, dem unter Hausarrest stehenden Regisseurs Roman Polanski wegen der Veröffentlichung von Fotos insgesamt 15’500 Euro zu bezahlen. Bereits vergangene Woche war eine Tageszeitung in gleicher Sache verurteilt worden. Bilder zum Thema Polanski und zu der Affäre um den sexuellen Missbrauch eines Mädchens in den USA seien zwar grundsätzlich „legitim“, befand das Gericht, doch die Magazine hätten Bilder von Polanski, seiner Frau und ihren Kindern ohne „ausreichenden Bezug“ zu der Berichterstattung über den Fall publiziert.

Polanski war am 26. September in Zürich festgenommen worden. Seit dem 4. Dezember wartet er in seinem Ferienchalet in Gstaad auf den Entscheid über eine mögliche Auslieferung in die USA.

Seit fast vier Monaten wartet Polanski also auf einen formellen Entscheid eines Bundesamts. In einem Bruchteil dieser Zeitspanne war ein französisches Gericht in der Lage, ein materielles Urteil zu fällen.

Informationsaustausch

Man glaubt es kaum: Dem gerade noch rechtzeitig gestoppten Flugzeugattentäter von Detroit ist im vergangenen Frühjahr wegen Sicherheitsbedenken die Einreise nach Grossbritannien verweigert worden. Die USA stellten dem Mann hingegen ein gültiges Visum aus.

Reden die beiden Länder, die gemeinsam auf der ganzen Welt gegen den Terrorismus kämpfen, eigentlich nicht miteinander? Tauschen sie keine Informationen aus? Oder sind sie am Ende nur am Austausch von Bank- und Steuerdaten unbescholtener Bürger interessiert?

Nach der Hysterie die Kapitulation

Nach dem einfältigen „Europa-Manifest“ macht der „Club Helvétique“ diesmal mit der „Bieler Erklärung“ von sich reden. Deren Kernaussage lautet, dass auf die vollmundig angekündigte Lancierung einer Initiative gegen das Minarett-Verbot verzichtet wird. Die Rede war von einem „Toleranzartikel“, der an Stelle des kürzlich von Volk und Ständen beschlossenen Verfassungsartikels hätte treten sollen. 

Die Mitglieder des „Club Helvétique“ sind noch die weitaus grösseren Flaschen als ich bisher dachte. Die Damen und Herren sind sich offensichtlich zu fein, um auf der Strasse für ein Anliegen zu werben, das ihnen angeblich so sehr am Herzen liegt. Peinlich auch, dass der Klüngel nicht in der Lage ist, die notwendigen Mittel zu äufnen. Wer so hysterisch auf einen Volksentscheid reagiert, dem sollte der Schutz der Republik eigentlich ein paar Franken wert sein. Möglich auch, dass man dem Anschein, man sei plötzlich Befürworter der direkten Demokratie, von Anfang an entschlossen entgegentreten wollte. Für Giusep Nay, Georg Kreis und Konsorten ist dies gewiss ein unerträglicher Gedanke.

Dem „Club Helvétique“ gehören an: Cécile Bühlmann, François Couchepin, Josef Estermann, Hildegard Fässler, Barbara Haering, Andi Gross, Ueli Heiniger, Martin Heller, Irène Herrmann, Kurt Imhof, Georg Kreis, Joëlle Kuntz, Dick Marty, Aram Mattioli, Jörg Paul Müller, Giusep Nay, Regina Ogorek, Gilles Petitpierre, Jacques Picard, Chasper Pult, René Rhinow, Martin Schaffner, Walter Schmid, Hansjörg Siegenthaler, Ulrich Siegrist, Hans Stöckli, Urs W. Studer, Roger de Weck, Myrta Welti, Alessandra Zumthor.

Die gute Frau von der CVP

Als ich es zunächst nur in einem Zeitungsbericht gelesen hatte, glaubte ich – einem Politiker eigenen Abwehrreflex gegenüber Medien folgend – sie sei sicherlich falsch zitiert worden. Als CVP Nationalrätin Kathy Riklin dann aber in einem Leserbrief ihre Aussage bekräftigte, war klar: Sie glaubt den Unsinn tatsächlich!

Frau Ricklin, die selbst Volksentscheide von Richtern auf die politische Korrektheit überprüft haben will, stört sich daran, dass gegen den Verantwortlichen des Geothermie-Flops zu Basel strafrechtlich vorgegangen wird. Sie erachtet das deshalb als ungerecht, weil der gute Mann schliesslich nur etwas gewagt habe. Dass dieses Wagnis zu Millionenschäden geführt hat, und leicht auch Menschen hätten zu Schaden kommen können, interessiert die gute Frau von der CVP nicht. Geothermie ist etwas Gutes, ergo muss ein schlechter Mensch sein, wer etwas anderes sagt.

Soll jeder der „etwas wagt“ und damit seine Mitmenschen schädigt, nicht zur Rechenschaft gezogen werden? Oder nur dann, wenn ihm Frau Ricklin gute Absichten attestiert?

Auch Arbeiten bildet

Eine Erhöhung der Studiengebühren ist nicht ungerecht, sondern im Interesse der Gerechtigkeit geboten. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum „Büezer“ und Angestellte für ihre Ausbildung teilweise tief in die Taschen greifen müssen, während Studenten lediglich einen symbolischen Beitrag leisten. Es ist kein Menschenrecht, anderen auf der Pelle zu liegen, oder sich – Leistungsfähigkeit vorausgesetzt – von der Allgemeinheit durchfüttern zu lassen. Nicht einmal aus dem von den Linken gerne angerufenen Völkerrecht lässt sich ein solches herleiten.

Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mir von der zurzeit laufenden Micky Maus-Besetzung an unserer Universität ein Bild zu verschaffen. Das war höchst aufschlussreich: Irgendwie wollten die tumben Sponti-Sprüche und Phrasen aus der Mottenkiste der 68er nicht recht zu den angeblich auf Bildung erpichten Manifestanten passen. Auch habe ich kaum jemanden beim Studium eines Buches gesehen. Besonders enttäuscht hat mich allerdings, dass die Demonstranten zwar ungeniert Forderungen an den Staat stellen, sich aber nicht im Geringsten dafür interessieren, wie es finanziell um diesen Staat bestellt ist. Niemand wusste beispielsweise, dass wir das laufende Jahr mit einem Verlust von über 200 Mio. Franken abschliessen werden. Kein Schimmer auch von dem für 2010 budgetierten Defizit von über 700 Millionen, geschweige denn von den darauf folgenden Defiziten von 1’300, 1’400 und weiteren 1’300 Mio. Franken.

Beim Eingang zum Hauptgebäude der Universität heisst es in einer Inschrift „Nach dem Willen des Volkes“. Ob die Demonstranten wissen, was damit gemeint ist? Wer als Student angesichts der hiesigen Verhältnisse glaubt, vor einer „Zweiklassen-Bildung“ warnen zu müssen oder eine Erwerbsarbeit schlicht für unzumutbar hält, hat die Relationen verloren und müsste zum Arbeiten verpflichtet werden können. Ein kurzer Aufenthalt in der realen Welt würde genügen, um zur Einsicht zu gelangen, dass Zürcher Studenten auch nach einer Gebührenerhöhung enorm privilegiert sind. Und für die wirklich Bedürftigen gibt es Stipendien.

Einen Makel hat die Erhöhung der Studiengebühren allerdings tatsächlich: Sie ist keine Sparmassnahme im eigentlichen Sinn, weil sie nicht zu einer Senkung des Aufwands zwingt, sondern mehr Geld in die Kassen spült. Dies lässt sich jedoch mit einer Steuerfusssenkung zugunsten der gesamten werktätigen Bevölkerung leicht kompensieren.

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Erschienen im Tages-Anzeiger vom 27. November 2009

Loben, wem Lob gebührt

Man muss die Regierung auch loben können, wenn es angezeigt ist. Auch wenn es vermutlich nur daran liegt, dass kein Geld zum Ausgeben zur Verfügung steht, und die Zeit darum zum Nachdenken genutzt werden muss, aus dem Kaspar Escher-Haus ist derzeit Erfreuliches zu vernehmen:

Finanzdirektorin Ursula Gut, die sich noch vor wenigen Monaten hartnäckig weigerte, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, redet in einem Interview davon, den Aufwand um zehn Prozent zu senken. Da es am Ende erfahrungsgemäss im besten Fall zwei Prozent sein werden, ist diese Zielsetzung nicht sehr ambitiös, aber immerhin. Man denkt über substantielle Kostensenkungen nach (und gibt damit der SVP Recht, die genau das seit 1999 fordert.). Ferner scheint sich im Regierungsrat das Bewusstsein durchgesetzt zu haben, dass es verheerend wäre, wenn der Kanton Zürich im interkantonalen Steuerwettbewerb noch weiter zurückfallen würde. Noch ist nicht klar, um wie viel die Steuern gesenkt werden sollen, es scheint sich aber etwas zu bewegen.

Lob verdient auch die – unter Federführung der Direktion für Justiz und Inneres zustande gekommene – Vernehmlassungsantwort der Zürcher Regierung zum Vorschlag von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, mit dem Strafrecht gegen rechtsextreme Symbole – oder das, was man in der Bundesverwaltung dafür hält – vorzugehen. Die geplante Strafnorm sei „kaum praktikabel“ und leicht zu umgehen, schreibt die Zürcher Regierung. Dadurch würden leicht falsche Erwartungen geweckt. – Schön, dass man mit 15jähriger Verspätung zur Einsicht gelangt ist, dass die Antirassismusgesetzgebung nicht nur angesichts unserer Rechtstradition verfehlt, sondern – was noch wesentlich schwerer wiegt – kontraproduktiv ist. Mit solchen Gesetzen macht sich ein Staat lächerlich. Man kann nicht das Hohelied des Volkerrechts und der Einhaltung der Menschenrechte singen und zum muslimischen Genozid im Sudan und zur Christenverfolgung schweigen. Man kann nicht nach über 60 Jahren zum Widerstand gegen Hitler rüsten, den Antisemitismus verdammen und gleichzeitig mit Typen wie Gaddafi und Achmadinedjad, die mit der Zerstörung Israels drohen, Geschäfte machen. (Zur Illustration)

Schliesslich freut mich persönlich, dass Regierungsrat Markus Notter dem Unterstützungskomitee für seinen Genossen Daniel Jositsch nicht beigetreten ist, weil er der Ansicht ist, es sei nicht seine Aufgabe, den Bürgern zu raten, wen sie in eine Behörde wählen sollen, der er selber angehöre. Nach Ansicht des „Tages-Anzeiger“ hat er damit ein „Keuschheitsgelübde“ geleistet.

Bundesrätin Widmer-Schlumpf: „Wann hier was gleich behandelt wird, bestimme ich!“

Bei einer Frau, die auf so unredliche Art und Weise in ihr Amt gelangt ist, wie Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf, kann es nicht verwundern, dass sie auch unredlich politisiert. Am Rande ihres obrigkeitlichen Auftritts gegen die Minarettinitiative, der von gewissen denkfaulen Medienschaffenden frenetisch als „Auftakt“ der Kampagne gegen das Volksbegehren gefeiert und begrüsst wird, gab sie eine Kostprobe ihres konzeptlosen In-den-Tag-hinen-Politisierens. Die meisten Journalisten versäumten es allerdings, ihr Publikum auf die argumentative Widersprüchlichkeit hinzuweisen.

Von der Konkurrenz abgehoben hat sich erfreulicherweise TeleZüri, das die Justizministerin mit der Frage konfrontierte, ob auch der Ruf des Muezzins vom Minarett ertönen dürfe. Aktueller Anlass bot die widerrechtlich installierte Lautsprecheranlage auf einem Minarett in Süddeutschland gegenüber von Rheinfelden, wo man sich über diese Entwicklung wenig erfreut zeigte. Als in der Wolle gefärbte Populistin weiss Frau Widmer-Schlumpf natürlich, was man in der Bevölkerung von frühmorgendlichen arabischen Betrufen hält, und sie wiegelte darum ab: „Ich bin jetzt überzeugt: Wenn die Bevölkerung eines Dorfes oder einer Stadt nicht will, dass ein Minarett beschallt wird, dann wird kein einziges Minarett in der Schweiz beschallt.“

Aha. Frau Bundesrätin ist JETZT überzeugt. Das heisst, morgen kann alles wieder ganz anders sein. Beruhigend ist das nicht. Abgesehen davon, ist nicht die Überzeugung einer Beamtin massgeblich, sondern die Rechtslage. So ist das zumindest in einem Rechtsstaat.

Noch viel entlarvender ist jedoch, dass die Magistratin plötzlich die Demokratie ins Spiel bringt, von der sie etwa bei Einbürgerungen nichts wissen will. Dabei weiss Frau Widmer-Schlumpf ganz genau, dass am Ende einmal mehr die Gerichte entscheiden werden. Denn das Problem mit der Minarettinitiative ist ein ganz anderes: In der Medienkonferenz führte Frau Widmer aus, das Volksbegehren sei abzulehnen, weil sie einer bestimmten Glaubensgemeinschaft etwas verbieten wolle, was andern Glaubensgemeinschaften gestattet sei.

Wenn es Frau Widmer-Schlumpf tatsächlich um die Verhinderung der Ungleichbehandlung von Religionsgemeinschaften geht, warum signalisiert sie dann die Bereitschaft, den lautsprecherverstärkten Ruf des Muezzins zu untersagen? Würde hier nicht einer Religionsgemeinschaft etwas verboten, was anderen erlaubt ist?

„Äusserst despektierlich“ – Na und?

Wir sind in diesen Tagen Zeugen, wie es um die angebliche Offenheit unserer welschen Freunde bestellt ist. Nun haben auch die Städte Neuenburg, Nyon und Morges mit ihrer freiheitlichen Tradition gebrochen und die Absicht bekundet, den Aushang der umstrittenen Anti-Minarett-Plakate zu verbieten. Die Stadtregierung von Neuenburg bezeichnete die Plakate in einer Medienmitteilung als „äusserst despektierlich gegenüber der muslimischen Gemeinschaft“.

Diese Regierungen spielen sich als Gouvernanten auf. Sie betrachten sich allen Ernstes als zuständig für das Betragen der Bürgerinnen und Bürger und fühlen sich berechtigt, nach eigenem Gutdünken korrigierend einzugreifen. Daran, dass in einem Rechtsstaat für staatliches Handeln das Recht und eben nicht die Willkür oder das Empfinden der Behörden massgeblich ist, wird kein Gedanke verschwendet.

Nach Ansicht der Neuenburger Gutmenschen ist also erlaubt, was ihnen gefällt, und verboten, was ihnen missfällt. Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt aber ein ganz anderes Rechtsgut, nämlich das Recht, zu sagen, was der Regierung nicht passt. Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt das Recht, sich despektierlich, sogar äusserst despektierlich, zu äussern. Und die Behörden haben das zu tolerieren. Das ist das grossartige an der Meinungsäusserungsfreiheit. Toleranz gegenüber denjenigen, die die eigene Ansicht teilen, ist wertlos. Nur wer den Andersdenkenden Freiheit zugesteht, ist freiheitlich und tolerant.

Die Kulturfritzendämmerung

Die Verhaftung des polnisch-französischen Filmemachers Roman Polanski in der Schweiz hat eines offensichtlich gemacht: Den totalen intellektuellen und moralischen Bankrott unserer linken Kulturschickeria.

Geradezu schmerzhaft dümmlich war, was der masslos überschätzte Rolf Lyssy und sein aus Nizza zugeschalteter Sekundant Hans Schenker im der Sendung TalkTäglich vom 28. September 2009 auf TeleZüri von sich gaben.

Lyssy, der noch immer von seinem Film „die Schweizermacher“ zehrt, liess seiner Empörung freien Lauf. Es gehe nicht an, den Regisseur zu verhaften, man dürfe sich nicht hinter Paragraphen verstecken. Polanski sei schliesslich nicht irgendwer. Pardon? Sind unsere Kulturfritzen nicht mit dem Argument gegen die Einbürgerungsinitiative der SVP angerannt, weil sogar die Demokratie dem Rechtsstaat untergeordnet sei? Und gilt Rechtsgleichheit nur, wenn es Lyssy und seinen linken Freunden passt?

Dann konstruierte Lyssy einen Bezug zur Todesstrafe und bezeichnete das amerikanische Justizsystem pauschal als „höchst fragwürdig“. Ein Rating, das er nur wenig später auf“ „nicht über jeden Verdacht erhaben“ zurückstufte.

Als sorgte er sich tatsächlich um die Schweiz, führte Lyssy weiter aus, mit der Verhaftung Polanskis sei ein „unsäglicher Imageschaden“ entstanden. Freilich wurde mit keinem Wort substantiiert, worin denn dieser bestehe. Auch der Frage, weshalb es dem Ruf eines Landes abträglich sein soll, wenn es sich an Gesetze und internationale Vereinbarungen hält, wurde nicht nachgegangen.

Schliesslich insinuierte Lyssy, es sei Polanski eine Falle gestellt worden. Auch dies eine unreflektierte Behauptung, die umgehend durch einen anderen Unfug „korrigiert wurde. Es stimme schon, dass alles legal abgelaufen sei, doch sei halt eine andere Haltung gefordert. Auf die Vorzüge und allfälligen Nachteile einer auf Willkür basierenden Justiz wurde freilich nicht näher eingegangen. Stattdessen wurde auf das zuvor kritisierte amerikanische System verwiesen, in dem es möglich ist, dass ein abtretender Präsident als letzte Amtshandlung verurteilte Kriminelle begnadigt. Ein besonderes Flair scheint der linke Lyssy für Marc Rich zu haben, den er in diesem Zusammenhang besonders erwähnte. Hat sich nicht auch Sozialdemokrat Josef Estermann als Zürcher Stadtpräsident für Richs Begnadigung eingesetzt?

Geplapper aus Nizza
Die Aufgabe, an die Grenze des punkto Torheit Erträglichen vorzudringen, übernahm Schauspieler Hans Schenker, der gerade in Nizza über die Schrecken des Kapitalismus sinniert. Er sei „empört und schockiert“ über den Umgang mit einem „so genannten Verbrecher“. Seiner Ansicht nach ist die – von Polanski nie bestrittene – Vergewaltigung (oral, anal und vaginal) einer 13 Jährigen, die zuvor durch die Abgabe von Alkohol und Medikamenten widerstandslos gemacht wurde, also kein Verbrechen.

Da Schenker offensichtlich nicht in der Lage ist, einen eigenen intelligenten Gedanken zu formulieren, zitierte er wiederholt aus der links-liberalen Süddeutschen Zeitung, in der ein nicht weiter substantiierter Zusammenhang zwischen der Verhaftung Polanskis und dem Steuerstreit mit den USA behauptet wird. Dann zeigte Schenker, dass er nicht einmal richtig zitieren kann: De Gaulle hat nicht gesagt: „Künstler gehören nicht ins Gefängnis“, sondern „On n‘ arrete pas Voltaire“. Und das geschah nicht in Bezug auf Jean Genet, sondern auf Jean-Paul Sartre, der wegen Verteilens maoistischer Flugblätter festgenommen wurde. Abgesehen davon, ist de Gaulle nicht gerade ein leuchtendes Beispiel für einen Staatsmann, der sich gross um Rechtstaatlichkeit und Gewaltentrennung scherte.

Als wäre im der Champagner im spätsommerlichen Nizza zu Kopf gestiegen, teilte Schenker nach allen Seiten aus. Es seien Denunzianten am Werk. Wo denn? Der Auftritt Polanskis am Zürcher Filmfestival war gross angekündigt. Es sei diffamiert worden. Wer denn? Polanski? Oder nicht vielmehr die Schweizer Polizei und Justiz durch Leute wie Schenker? Dann wurde der Schweiz Liebedienerei – ein Begriff, an dem Schenker grossen Gefallen gefunden hat – unterstellt, und Toni Brunner wurde kurzerhand zum verlängerten Arm der US-Justiz erklärt. Wie dumm geht’s eigentlich noch?

Ausgerechnet Schenker als Vertreter des Kulturteigs, der alles und jeden, der ihnen die Subventionen nicht nachwirft kritisiert, und nichts lieber tut als zu moralisieren, erklärte schliesslich, man habe „genug von der moralisch Keule“. Ja wer schwingt diese denn?

Und als wollte Schenker wirklich auch dem Hintersten und Letzten beweisen, dass er nicht über das Niveau der Sponti-Sprüche der 70er- und 80er-Jahre hinausgekommen ist, hob er zu folgendem Schlusswort an: „Die Justiz macht keine Fehler – sie ist der Fehler!“ Was ist das anderes als eine Absage an den Rechtsstaat und die Ausrufung der Anarchie?

Linke weltweit am Ende
Erfreulich ist, dass sich diese Zerfallserscheinungen nicht auf die Schweiz beschränken. Auch im Ausland ist der intellektuelle Bankrott der linken Kulturfritzen offensichtlich. Auch die Schauspielerin Whoopi Goldberg fühlte sich berufen, sich zur Verhaftung Polanskis zu äussern. Nun ist klar, dass sie ausser den Qualifikationen „Frau“, „schwarz“ und „links“ nicht viel zu bieten hat. Wer als angebliche Kämpferin für die Rechte der Frauen Polanski mit dem Argument verteidigt, es sei ja gar „keine richtige Vergewaltigung“ gewesen, hat jegliche Glaubwürdigkeit verspielt.

Ganz ähnlich ihr Kollege Woody Allen, der das Vorgehen der Schweiz ebenfalls kritisierte. Auch er hatte ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs seiner Stieftochter am Hals. Ein anderer würde in einer solchen Situation schweigen.