Auch Staaten sind ihres Glückes Schmied

Die Deutschen wehren sich. – Bereits zum zweiten Mal kaufen sie bei einem Gauner eine CD und verwenden die darauf enthaltenen Bankdaten gegen ihre Bürger, die versuchen, ihr Geld vor dem unersättlichen Fiskus in Sicherheit zu bringen. Einer langen Tradition folgend wird die Schuld für das eigene Unglück anderen in die Schuhe geschoben. Aktuell sind es wir Schweizer. Das letzte Mal waren es „die Juden“. Und davor die Grossmächte, die Deutschland den angestrebten „Platz an der Sonne“ verweigerten. Man muss sich fragen, wozu Deutschland überhaupt eine eigene Regierung hat, wenn offenbar alles vom Verhalten Dritter abhängt.

Finanzminister Schäuble hatte, als er diese Woche den feindlichen Akt gegenüber der Schweiz bekannt gab, die Chuzpe, von einer Freundschaft zu palavern, die Einiges aushalte. Es liege ihm viel an der Fortsetzung der „guten Zusammenarbeit“. Wie bitte? Welche gute Zusammenarbeit? Drohte uns Berlin nicht gerade erst in wilhelminischem Kasernenton mit der Peitsche und der Entsendung der Kavallerie? Da hat offensichtlich jemand vergessen, dass es für eine Freundschaft zwei braucht. Zu Recht pocht Deutschland auf der Beachtung seiner Rechtsordnung. Im Gegenzug hat es die unsrige zu beachten, denn die Schweiz ist ein souveräner Staat und kein deutsches Protektorat.

Wir Schweizer sollen also schuld daran sein, dass deutsche Staatsangehörige vor dem deutschen Fiskus fliehen. Nehmen wir für einen Moment an, es gehe nicht um Kapitalflucht, sondern um eine Flucht wegen Verfolgung. Jedes Jahr suchen bekanntlich Tausende von Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind Zuflucht in unserem Land. Nach Schäubles Logik ist die Schweiz schuld daran. Nicht die Taliban. Nicht korrupte und Krieg führende Regierungen. Dass das absurd ist, steht ausser Frage, und zeigt, dass Schäuble Unrecht hat.

Flucht hat immer einen Grund. In seinem naturrechtlich begründeten Streben nach Glück versucht der Flüchtende, seine Situation zu verbessern. Gerade in der Frage der Besteuerung prallen mit der Schweiz und den Ländern der EU inkompatible Konzepte aufeinander. Während wir hierzulande bestrebt sind, die Belastung für den Bürger möglichst gering zu halten und darum demokratisch über Steuern abstimmen und deren Maximalhöhe in der Verfassung festschreiben, macht man es in der EU und in Deutschland genau umgekehrt: Dort wird vorgeschrieben, dass die Mehrwertsteuer mindestens 15 Prozent zu betragen hat. Das Interesse des Fiskus steht also über demjenigen des Bürgers, der seiner Regierung weitgehend schutzlos ausgeliefert ist.

Wer in einem solchen Umfeld sein Kapital in Sicherheit bringt, hat Recht. Das ist nichts anderes als Selbstvorsorge. Einer faktisch sozialdemokratische Regierung, die jedes Jahr vom Rechnungshof wegen der Verschleuderung von Volksvermögen gerügt wird, die steigende Kosten als Naturgesetz betrachtet, die selbstherrlich über Wiedervereinigung, „Soli“ und Euro-Einführung entscheidet und Aussteigerprogramme für Taliban finanzieren will, muss man das Geld entziehen. Das ist Notwehr. Das ist Eigenverantwortung. Wenn Leistung und Gegenleistung in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen, zeugt es von gesundem Menschenverstand, sein Erspartes zu schützen.

Angela Merkel und ihre Komplizen täten gut daran, in sich zu gehen und zu überlegen, wie Bedingungen geschaffen werden können, damit ihre Landsleute gar nicht erst auf die Idee kommen, ihr Geld im Ausland zu verstecken. Niemand hindert die deutsche Regierung nämlich daran, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Steuerflucht unattraktiv werden lassen. Einfach auf anderen herumzutrampeln, denen es besser geht, weil sie nicht jeden sozialistischen Unfug mitgemacht haben, wird auf Dauer nicht genügen.

Und dann sollte sich Frau Merkel auch dafür schämen, dass sie ein Land regiert, aus dem sich Leistungsträger unter anderem wegen der von ihr betriebenen Politik verabschieden. Ich lebe jedenfalls lieber in einem Land, in dem die Menschen Zuflucht suchen als in einem, aus dem sie fliehen.

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Erschienen in der Berner Zeitung vom  6. Februar 2010

8 Gedanken zu „Auch Staaten sind ihres Glückes Schmied“

  1. Wir stellen fest, dass sich unsere nördlichen Freunde lieber der Hehlerei schuldig machen als dass sie warten bis das sich in Verhandlungen befindende Doppelbesteuerungsabkommen in Kraft tritt womit sie dann ein Amtshilfebegehren stellen können. Das ist gar nicht freundlich und opportunistische Machtpolitik. Ich denke nicht, dass die gute Angie den Nerv hätte, eine solche CD aus den USA auszunutzen. Wenn die Schweizer Regierung nur für einen Fünfer „Füdli“ hätte, so würde sie dafür sorgen, dass ein Deutscher Banker eine CD mit Schweizer Bankkundendaten liefern würde womit erwiesen wäre, dass deutsche Banken keinen Dreck besser sind. In einem 10vor10 vor etwa 1 Jahr erfuhr der erstaunte Zuschauer, dass es offensichtlich ganz einfach ist Konten oder Depots in D zu eröffnen und dass niemand fragt ob das Geld oder die Wertschriften resp. deren Erträge versteuert ist. Wir können davon ausgehen, dass auf D Banken riesige Schweizer Vermögenswerte liegen, die nicht versteuert sind. Also Bundesrat/Steuerverwaltung: Krieg der CDs eröffnen !

  2. Herzliche Gratulation zu Ihren Ausführungen in der Kolumne – Auch Staaten sind ihres Glückes Schmied -.

    Sie haben es auf den Punkt gebracht!

  3. Sie treffen mit Ihrer Kolumne den Nagel auf den Kopf. ENDLICH jemand, mit dem ich meine Gedanken teilen kann. Meine Sauwut auf die deutschen Politiker, die nichts, aber auch gar nichts aus der Geschichte gelernt haben, ist riesengross. Andere schlecht machen, um besser dazustehen ist ein altbekanntes Mittel, um vor sich selber dazustehen, wenigsten für den Augenblick.
    Es muss allen gleich schlecht gehen, nicht gleich gut!

    Ich kann den Artikel in der BZ nicht genug lesen, so süffig ist er für mich.

    Was müsste man aber tun, damit mehr Schweizer und vor allem die deutschen Politiker diese Zeilen lesen könnten? Denn nur einmal gesagt ist noch nicht genug gesagt.

    Herr Zanetti, fahren Sie bitte weiter so! Sagen Sie es! Schreiben Sie es! Schreien Sie es den deutschen Politikern in ihre selbstsicheren (?) Fressen!

    Die Schweizer Politiker sind es dem Schweizervolk schuldig!

  4. Das ist nur noch peinlich. Sowohl der Leitartikel als auch die Kommentare. Angefangen von der unsäglichen Gleichsetzung der verfolgten Juden mit potentiellen (Steuer-)Straftätern und dazu die geradezu reaktionäre Kritik am Steuerstaat.

    Nackte Xenphobie paart sich mit einer völlig falschen Wiedergabe des Institutionenverständisses (Rechnungshof!) der Bundesrepublik.

    Dummdreiste Meinungsmache, unqualifiziertes German- und Europabashing, eine einzige intelektuelle Zumutung.

  5. Wer nicht in der Lage ist, einen Artikel so zu lesen, wie er geschrieben wurde, sollte nicht von intellektueller Zumutung reden. An keiner Stelle wurden verfolgte Juden mit Steuerflüchtlingen gleichgesetzt.

    Es geht darum, dass deutsche Regierungen in der Geschichte immer andere für ihre Situation verantwortlich machten. Wer eine sozialistische Politik betreibt, darf sich nicht wundern, wenn es mit ihm bergab geht. Und sozialistische Politik wird nicht dadurch besser, dass sie von „Bürgerlichen“ betrieben wird.

    Übrigens, warum verwenden Sie einen falschen Namen – und erst noch den eines bedeutenden, 1950 verstorbenen, deutschen Ökonomen?

  6. Ich gratuliere Ihnen zur Kolumne vom letzten Samstag in der Berner Zeitung BZ. Treffender hätte man die Sachlage nicht schildern können. Leider ist der Bundesrat zu schwach, um dem grossen Nachbarn die Stirn zu bieten und abzuwarten, welche Retorsionsmassnahmen dieser ergreift, wenn überhaupt.

    Mittelfristig kann wohl hier nur die Initiative „Volkswahl des Bundesrates“ Abhilfe schaffen.

  7. Wer Steuerflüchtlinge mit Flüchtlingen, die in an Leib und Leben gefährdet sind, vergleicht, diskreditiert sich selber als dreckiges Arschloch. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

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