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Linke „Wirtschaftsförderung“ oder die destruktive Kraft der Moralisten

Es ist gegenwärtig wieder einmal viel von staatlicher Wirtschaftsförderung die Rede. Die Geschichte lehrt allerdings, dass der Staat im Zerstören wesentlich effizienter ist als im Aufbauen. Wirtschaftsförderung darf nicht länger Aufgabe einer Amtsstelle sein und sich auf das Drucken von Prospekten beschränken. Die Förderung der Wirtschaft muss wieder „raison d’être“ des Gemeinwesens werden.

Der Einfluss des Staatsapparats mit seiner Bürokratie auf unser Leben ist so enorm, dass er von den meisten längst als Selbstverständlichkeit empfunden wird. Die Frage nach der Legitimation einer Institution, in unser Leben einzugreifen, wird nicht einmal mehr gestellt. Fragten die grossen Staatstheoretiker noch nach der moralischen Rechtfertigung des Staates, sind es heute der Staat, bzw. dessen Vertreterinnen und Vertreter, die moralisieren und über Gut und Schlecht befinden. War es für John Locke, der mit seinem Denken die Welt verändert und vorangebracht hat, noch klar, dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt, lässt man heutzutage der Regierung freie hand – einzig und allein weil sie Regierung ist. Dabei ist der Staatsapparat, was Freiheit und Eigentum anbelangt, längst zur grössten Bedrohung geworden.

Divergierende Interessen

Interessen und Ziele von Regierung und Regierten driften immer stärker auseinander. Wenn Regierungsvertreter erklären, das Land wolle Dieses oder Jenes, ist keineswegs sicher, dass Dieses oder Jenes dem Einzelnen bei seinem Streben nach seinem persönlichen Glück auch zu Gute kommt. Im Sprachgebrauch hat diese sich öffnende Kluft bereits ihren deutlichen Niederschlag gefunden. So etwa wenn von „Steuergeschenken“ oder so genannten PPP-Projekten die Rede ist, von Public-Private-Partnership-Projekten. In solchen Ausdrücken kommt die Abwendung von der Auffassung zum Ausdruck, dass der Staat den Bedürfnissen der Menschen und der Wirtschaft zu dienen hat. Der Staat wird nicht mehr als Gemeinschaft von Individuen zur Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt empfunden, sondern als eigenständiger Organismus mit eigenem Willen, dem im Grunde alles gehört.

Die gleiche Geisteshaltung kommt zum Ausdruck, wenn Vertreter von Regierung und Verwaltung ganze Industrien als „Klumpenrisiko“ betrachten und bezeichnen. So etwa die chemische Industrie in Basel oder der Finanzplatz in Zürich, wo es Regierungsvertretern zunehmend Mühe bereitet, ihre Politik auf die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse auszurichten. Das Ziel einer permanenten Verbesserung der Rahmenbedingungen wird kurzfristigen Opportunitäten geopfert. Was zählt, ist das Image – oder das, was man für das image hält.

Die Demontage geht weiter

Von einer guten Ordnungspolitik, die für möglichst tiefe Steuern und möglichst wenig einschränkende Gesetze steht, sind wir leider weit entfernt. Die öffentlichen Haushalte drohen ausser Kontrolle zu geraten, die Verschuldung hat ein bedrohliches Ausmass angenommen, die Sozialwerke sind in einem desolaten Zustand und wichtige Industrien kämpfen ums Überleben. Gleichwohl scheint der Leidensdruck noch nicht gross genug zu sein. Über 100’000 Stimmbürger haben ein Volksbegehren der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) unterzeichnet, das ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial und besondere militärische Güter verlangt. Einer Industrie, die bereits heute nur noch ein Schatten ihrer einstigen Grösse ist, soll also vollends der Garaus gemacht werden.

Zerstören mit der Moral-Keule

Im Zerstören von ganzen Wirtschaftszweigen waren die Linken schon immer stark. Wer sich ihrem moralischen Bannstrahl ausgesetzt sieht, hat ein Problem. Auch wenn sich die Weltverbesserer in Medien und Verwaltung lediglich zum Ziel gesetzt haben, korrigierend einzugreifen. Auch beim Abzahlungskauf wollte man seinerzeit bloss etwas korrigieren. Das Resultat war ein Regelwerk, das dazu geführt hat, dass praktisch keine solchen Verträge mehr abgeschlossen werden. Oder der Haustürkauf: Weil der Gesetzgeber mündigen und urteilsfähigen Bürgern unterstellt, sie seien – im Gegensatz zur Verwaltung – nicht in der Lage, die Konsequenzen eines Kaufs auf öffentlichen Plätzen oder eben an der Haustüre richtig abzuschätzen, wurde eine seit Jahrtausenden bestehende Handelsform demoliert. Eine ganze Branche wurde abgestraft, als handelte es sich dabei um das organisierte Verbrechen schlechthin. Oder wie verhält es sich mit der Pelzindustrie? Wie viele schöne Unternehmen sind eingegangen, weil sich eine Personengruppe mit der geistigen Offenheit von Taliban, das Recht herausgenommen hat, darüber zu stimmen, was gute und schlechte Industrien sind. Im Moment ist gerade die – gleichzeitig subventionierte –Tabakindustrie im Fokus der zerstörerischen Gutmenschen. Arbeitsplätze interessieren nicht.

Dem Furor der Moralisten bereits vor Jahren zum Opfer gefallen, ist auch die Spielautomatenbranche. In Zürich musste als Kollateralschaden sogar das grossartige Cabaret „Polygon“ seine Türen schliessen, das zuvor vom Besitzer einiger Spiellokale grosszügig quersubventioniert worden war. Die gleichen Leute, die damals vorgaben, sie wollten Menschen und Familien vor dem finanziellen Ruin bewahren, haben allerdings keine Bedenken mehr, wenn Väterchen Staat abkassiert. Das hat einen handfesten Grund: Die Moralisten stehen den von ihnen angeprangerten „Heuschrecken“ nämlich in nichts nach, wenn es ums Abzocken geht. Sie holen das Geld einfach beim Staat und lassen sich für das Lösen von Problemen bezahlen, die es ohne Sie gar nicht gäbe. Im Asyl-, oder Drogenbereich, im Bildungs- und Betreuungswesen leben ganze Industrien fast ausschliesslich von Steuergeld. Ein Risiko besteht nicht. Wenn der Erfolg, was nicht überraschen kann, nicht eintritt, wird einfach nach mehr Geld gerufen. Von der Schaffung solider Arbeitsplätze kann also keine Rede sein. Besonders hirnverbrannt läuft es im Umweltbereich, wo mit gewaltigen Summen erneuerbare Energien gefördert werden. Dass sich die Arbeitsplätze, die auf diese Weise geschaffen werden, in China befinden, tut der Begeisterung unserer Gutmenschen keinen Abbruch. Man weiss schliesslich die Moral auf seiner Seite.

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Erschienen in der „Schweizerzeit“ vom 9. Oktober 2009

Herrscher über „Stil und Botschaft“

Noch einer, der einst das Verbieten verbieten wollte, ist vom Paulus zum Saulus geworden: Genosse Bundesrat Moritz Leuenberger hat „alles Verständnis“ für ein Verbot des umstrittenen Plakats zur Anti-Minarett-Initiative. Es gehe aber um die alte Frage, wie eine liberale Gesellschaft mit einer intoleranten Strömung umgehe.

Hin und wieder die Bundesverfassung zur Hand zu nehmen, würde Moritz Leuenberger gut anstehen. Dort findet sich nämlich in Artikel 5 der Satz, dass „Grundlage und Schranke staatlichen Handelns“ das Recht sei. Mit anderen Worten: Wofür ein Bundesrat Verständnis hat oder wofür er kein Verständnis hat, ist vollkommen irrelevant. Massgeblich ist das Recht. Und diese Bestimmung hat genau den Zweck, zu verhindern, dass unsere Freiheit von Launen unserer Exekutivpolitiker abhängt. Sie setzt dem Absolutismus Schranken und zwingt zur Beachtung der Gesetze. Im Falle der Meinungsäusserungsfreiheit ist die Sache sogar sehr simpel. Sie darf nur eingeschränkt werden, wenn ansonsten eine – konkrete – Gefährdung des Staates droht, etwa in Kriegszeiten. Bloss die Hosen voll zu haben, genügt nicht.

So zumindest sollte es in einer liberalen – ich bevorzuge den Begriff „freiheitlichen“ – Gesellschaft sein. Leuenberger behauptet zwar, es gehe ihm darum, diese vor intoleranten Strömungen zu schützen, doch denkt er dabei an die Falschen. Sind diejenigen, die auf demokratischem Weg für ihre Freiheit einstehen, intolerant? Oder sind diejenigen die Toleranten, die Botschaften stürmen, Menschen bedrohen und umbringen, weil sie sich wegen einiger Karikaturen beleidigt fühlen?

Als Politiker verfolgt Moritz Leuenberger natürlich eine politische Agenda. Ist es tatsächlich nur sein glühender Anti-Amerikanismus, der ihn dazu veranlasst, die Errungenschaften der Aufklärung über Bord zu werfen? Oder ist es tatsächlich die Angst vor islamistischem Terrorismus?

Noch wesentlich schwerwiegender ist allerdings, was im Tages-Anzeiger von heute zu lesen ist: Da unterhält sich Silvio Temperli mit der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch darüber, dass es der Stadtrat soeben abgelehnt hat, das Plakat zu verbieten. Frau Mauch machte jedoch klar, dass sie sowohl die initiative als auch das Plakat selbst ablehnt. Darauf Temperli: „Wenn sie Stil und Botschaft des Plakats ablehnen, müssten sie es konsequenterweise verbieten.“ Weiter wirft er der Stadtpräsidentin vor, die Gelegenheit verpasst zu haben, „ein Zeichen zu setzen“. Im gleichen Blatt, das Silvio Berlusconi praktisch täglich vorwirft, seine Medienmacht zu missbrauchen, wird ein obrigkeitliches Machtwort gefordert. Unglaublich!

Man stelle sich einmal vor, jemand aus der SVP würde fordern, Auftritte von Marthaler, Schlingensief oder Hirschhorn zu verbieten, weil deren „Stil und Botschaft“ nicht gefällt. – Das sollte reichen um zu zeigen, wie unreflektiert, ja debil Temperlis Aussage ist. Ein Journalist, der keinen Sinn für die Bedeutung des freien Wortes und Ausdrucks hat, hat seinen Beruf verfehlt.

Unerträgliche Selbst-Zensur

Die Antirassismusgesetzgebung war von Anfang an als Waffe gegen den politischen Gegner konzipiert, und genau so wird sie nun eingesetzt. Dass jemand wie Georg Kreis das neue Abstimmungsplakat der SVP kritisiert, kann darum nicht überraschen. Der Mann hat sich sein Leben lang der herrschenden Kaste angedient und selbstständiges Denken durch politisch korrekte Phrasendrescherei ersetzt.

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Georg Kreis und seine Zensurbehörde sind nur Lakaien im Dienste staatlicher Gesinnungsschnüffelei, wie man sie sonst nur in totalitären Systemen antrifft. Zum Beispiel in Saudi-Arabien, das Kreis vor den Angriffen der SVP in Schutz nimmt, und das er vermutlich um die Kompetenzen seiner Religionspolizei (motawa’s) beneidet. Schon für das öffentliche Tragen eines Kreuzes drohen dort massiven Strafen. Die Swissair durfte wegen des Schweizerkreuzes am Heckruder nicht landen. Das EDA führt in seien Reisehinweisen zu dem Land Folgendes aus: „Verboten sind unter anderem die Beleidigung des Islam sowie der politischen und religiösen Führung, das Fotografieren von Regierungsgebäuden und militärischen Einrichtungen, Einfuhr, Besitz, Handel und Konsum von alkoholischen Getränken sowie aussereheliche und gleichgeschlechtliche Beziehungen. Frauen ist das Lenken eines Fahrzeugs untersagt. Zuwiderhandlungen werden streng bestraft (Gefängnis, Stockschläge etc.). Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz werden schon bei geringsten Mengen und bei jeder Art von Drogen mit langjährigen Gefängnisstrafen geahndet. Es kann selbst die Todesstrafe verhängt werden. Die Haftbedingungen sind bedeutend härter als in der Schweiz.“

Man kann Georg Kreis nicht einmal verübeln, dass er sich zum Richter über die freie Meinungsäusserung emporgeschwungen hat. Genau wie ein Pyromane mit den Streichhölzern, die man ihm in die Hand gedrückt hat, ein Haus anzündet, wüten Kreis und seine Kommission mit den gesetzlichen Kompetenzen, die ihm in einer Volksabstimmung zugestanden wurden. Allerdings führte der Bundesrat 1994 in den Abstimmungserläuterungen aus: „Das Recht auf freie Meinungsäusserung bleibt selbstverständlich gewährleistet. Blosse Gesinnungen oder private Äusserungen sind keinesfalls verboten.“ Dass man bundesrätliche Beteuerungen vor Tisch anders liest, ist seit der EWR-Abstimmung leider der Normalfall.

Solange Georg Kreis noch keine öffentlichen Verbrennungen durchführen darf, braucht man ihn nicht weiter zu beachten. Weit schwerwiegender als sein Gerede ist die Selbstzensur, der sich ein Teil unserer Medienschaffenden freiwillig unterwirft. Das ist überraschend, denn diese Branche lebt von der Freiheit, und sie sollte sich hüten, diese als staatlichen Gnadenakt zu betrachten. Freiheit erhält man nicht geschenkt. Für seine Freiheit muss man täglich einstehen. Anderer Meinung ist scheinbar Tages-Anzeiger Co-Chefredaktor Res Strehle, der im Chor mit Georg Kreis ein Verbot des besagten SVP-Plakats fordert. Man kann kaum glauben, dass der Mann einst durch die Strassen zog und das Verbieten verbieten wollte. Offensichtlich braucht es wenig Macht, um sich davon korrumpieren zu lassen.

Am Busen der Regierung

Wer in der Schule aufgepasst hat, weiss, dass die Staatsmacht in drei Gewalten aufgeteilt ist. Dieses System, das sich als überlegen erwiesen hat, könnte simpler nicht sein: Die Legislative bestimmt, was die Exekutive umzusetzen hat, und die Gerichte wachen über die Einhaltung der von der Legislative beschlossenen Gesetze.

Der Theorie nach ist also die Legislative die dominierende Gewalt. In der Realität ist es allerdings die Exekutive – aufgrund ihres Informationsvorsprungs. Das ändert jedoch nichts an der verfassungsmässigen und vom Bürger einklagbaren Aufgabenteilung. Aus diesem Grund sollten sich Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive in Abstimmungskämpfen äusserste Zurückhaltung auferlegen. Als man zur politischen Kultur noch sorge trug, war dies eine Selbstverständlichkeit. Denn wie soll eine Regierung einen Beschluss des Stimmvolkes glaubwürdig umsetzen, den sie zuvor im Abstimmungskampf bekämpft hat? Aus den Erfahrungen der EWR-Abstimmung wissen wir jedenfalls, dass dieser Entscheid von Volk und Ständen nie wirklich akzeptiert worden ist. Auch nach bald 20 Jahren betreiben Regierung und Verwaltung dagegen Obstruktion.

In diesen Tagen erreichte mich ein Schreiben des Zürcher Komitees gegen Exportverbote zur Bekämpfung der GSoA-Initiative, die ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial und besondere militärische Güter in der Bundesverfassung festschreiben will. Als Erstunterzeichnerin firmiert die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer, die einem solchen Abstimmungskomitee nicht beitreten sollte. Im Kanton Zürich gibt es nämlich auch Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die das Volksbegehren unterzeichnet haben oder ihm an der Urne zustimmen werden. Und Rita Fuhrer ist Regierungsrätinnen aller Zürcherinnen und Zürcher und sollte sich darum neutral verhalten. Dass sie diesen GSoA-Schwachsinn jedoch aus innerster Überzeugung ablehnt ist richtig und verständlich. Von einer SVP-Politikerin erwarte ich nichts anderes.

Auch die Vorsteherin des eidg. Volkswirtschaftsdepartements, Doris Leuthard, wird gegen die Initiative antreten. Sie wird am 26 Oktober im Hotel Marriott als „Keynote-Speakerin“ auftreten, da „Hauptrednerin“ offenbar zu wenig glamourös ist. Frau Leuthard wird ex cathedra sagen, was Sache ist, danach darf auf einem Podium etwas gestritten werden. Bedenklich ist, dass sich Politiker aus allen Lagern sowie Verbandsvertreter dies gefallen lassen. Wir brauchen eine Regierung, damit Schulen und Spitäler funktionieren, damit wir fliessend Wasser und Strom haben. Wir brauchen jedoch keine Regierung, damit wir wissen, was wir zu denken, bzw. wie wir abzustimmen haben.

Abstimmungskämpfe sollen von den Parteien, den Verbänden und der Wirtschaft geführt werden. Im konkreten Fall ist es Aufgabe der einst starken Rüstungsindustrie, für ihre Anliegen einzustehen. Doch wo sind diese? Wo bleibt beispielsweise die SIG, die bevor sie Milchpackungen herstellte, der Schweizerarmee Sturmgewehre lieferte? Bleibt am Ende alles an der bundeseigenen RUAG hängen?

Der Gruppe „Sicherheits- und Wehrtechnik“ des Branchenverbands Swissmem gehören 44 Unternehmen an. Es ist an ihnen, sich für ihre – legitimen – Interessen einzusetzen. Interessenvertretung ist nichts Unanständiges. Niemand wird sich wundern, dass die Initiative der Armeeabschaffer dieser Branche ein Dorn im Auge ist. Wenn sie sich aber auf die Unterstützung durch die Exekutive verlässt, wird sie sich eines Tages die Augen reiben, denn die Hilfe der Regierung ist weder selbstlos noch gratis. Das war sie nie, und das wird sie nie sein. Höhere Steuern und neue Auflagen, die als Kompromisse angepriesen werden, sind so sicher wie das Amen in der Kirche.

Nicht dabei sein zählt, sondern besser sein

Zwei Männer sind zu Fuss in der Savanne unterwegs. Plötzlich merken sie, dass sich ein Löwe an sie heranpirscht. Beide fürchten um ihr Leben. Da öffnet der eine seinen Rucksack, kramt daraus ein paar Turnschuhe hervor und zieht diese an. Verwirrt und vorwurfsvoll fragt ihn der andere, was er damit bezwecke, ob er denn ernsthaft glaube, mit leichteren Schuhen schneller rennen zu können als der König der Tiere. Doch der Angesprochene antwortet nur trocken: „Das ist ja gar nicht nötig. Es reicht, wenn ich schneller bin als Du.“ Dieser – zugegebenermassen nicht mehr ganz taufrische – Witz illustriert sehr treffend das Wesen eines jeden Wettbewerbs und damit natürlich auch jenes des Steuer- oder Standortwettbewerbs. Am Ende zählt nur der relative Vorteil gegenüber den Mitbewerbern.

Mögen ihn die Sozis und ihre Verbündeten noch so heftig als ungerecht verdammen, der Wettbewerb unter den Standorten ist Tatsache. Genauso vergeblich könnten unsere ewigen Weltverbesserer gegen das Wetter, die Schwerkraft oder das Älterwerden protestieren. Wann werden diese Schöngeister endlich begreifen, dass auch unangenehme Tatsachen Tatsachen sind, die es zu akzeptieren gilt?

In der Schweizer Aussenpolitik, die einst eine erfolgreiche Aussenwirtschaftspolitik war, gilt gegenwärtig die Devise: „Dabei sein ist alles.“ Parolen ersetzen das Denken. Ob es richtig und wünschenswert ist, dass sich die G 20 zu einer Weltregierung entwickelt, wird nicht gefragt. Man will einfach dabei sein und vergisst, dass unsere Gegner im globalen Wettbewerb keineswegs von olympischem Geist erfüllt sind. Diese verstehen es, ihre Interessen durchzusetzen, und zögern nicht, dabei zu den hinterhältigsten Mitteln wirtschaftlicher Kriegsführung zu greifen. Dazu ist unsere umtriebige Aussenministerin nicht in der Lage. Sie, die ihren eigenen Regierungskollegen bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Rücken schiesst, gibt sich gegenüber dem Ausland devot. Auch MCR redet zwar von Interessenvertretung, doch hält sie die Interessen des Landes mit denen ihrer Partei und der Ideologie der sozialistischen Internationale für identisch. Darum haben wir heute kein Bankgeheimnis mehr. Und nur, wer die Schweiz hasst, oder sie auf EU-Niveau herunterwirtschaften will, um sie „beitrittsfähig“ zu machen, wird behaupten, es seien in den vergangenen Monaten Schweizer Interessen durchgesetzt worden.

Als Land mit denkbar schlechten Voraussetzungen war die Schweiz seit jeher dazu gezwungen, sich ein für Investoren attraktives Rechtskleid zu schneidern. Henri Nestlé, Georg Wander oder die Herren Brown und Boveri und viele andere haben sich in der Schweiz niedergelassen und Industrien aufgebaut, weil sie hier bessere Standortbedingungen angetroffen haben als in ihren Herkunftsländern. Diese unterscheiden sich natürlich auch innerhalb eines Landes. Erst recht, wenn dieses föderalistisch verfasst ist. Dass wirtschaftspolitische Entscheide langfristig schwerwiegende Folgen haben können, ist in der Berner Zeitung vom 3. September 2005 nachzulesen. So handelte sich Bern bereits in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts einen grossen Rückstand auf Zürich ein, weil es „im gemütlichen Takt tuckerte, den das auf die Landwirtschaft fixierte Patriziat vorgab.“ Heute wirbt Bern in Zürich um Investoren.

Doch auch Zürich läuft Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Soeben ging die Meldung durch die Presse, dass ein russischer Milliardär nach einem neuen Wohnsitz Ausschau hält, weil die Pauschalbesteuerung abgeschafft wurde. Anstatt der Turnschuhe haben die Zürcher die Skischuhe montiert, und es macht auch nicht den Eindruck, als sei man auf die versprochene Steuersenkung in Deutschland vorbereitetet. Gut möglich, dass Berner und Zürcher schon bald gemeinsam in Singapur um Investoren werben müssen.
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Erschienen in der Berner Zeitung vom 2. Oktober 2009

Die Kulturfritzendämmerung

Die Verhaftung des polnisch-französischen Filmemachers Roman Polanski in der Schweiz hat eines offensichtlich gemacht: Den totalen intellektuellen und moralischen Bankrott unserer linken Kulturschickeria.

Geradezu schmerzhaft dümmlich war, was der masslos überschätzte Rolf Lyssy und sein aus Nizza zugeschalteter Sekundant Hans Schenker im der Sendung TalkTäglich vom 28. September 2009 auf TeleZüri von sich gaben.

Lyssy, der noch immer von seinem Film „die Schweizermacher“ zehrt, liess seiner Empörung freien Lauf. Es gehe nicht an, den Regisseur zu verhaften, man dürfe sich nicht hinter Paragraphen verstecken. Polanski sei schliesslich nicht irgendwer. Pardon? Sind unsere Kulturfritzen nicht mit dem Argument gegen die Einbürgerungsinitiative der SVP angerannt, weil sogar die Demokratie dem Rechtsstaat untergeordnet sei? Und gilt Rechtsgleichheit nur, wenn es Lyssy und seinen linken Freunden passt?

Dann konstruierte Lyssy einen Bezug zur Todesstrafe und bezeichnete das amerikanische Justizsystem pauschal als „höchst fragwürdig“. Ein Rating, das er nur wenig später auf“ „nicht über jeden Verdacht erhaben“ zurückstufte.

Als sorgte er sich tatsächlich um die Schweiz, führte Lyssy weiter aus, mit der Verhaftung Polanskis sei ein „unsäglicher Imageschaden“ entstanden. Freilich wurde mit keinem Wort substantiiert, worin denn dieser bestehe. Auch der Frage, weshalb es dem Ruf eines Landes abträglich sein soll, wenn es sich an Gesetze und internationale Vereinbarungen hält, wurde nicht nachgegangen.

Schliesslich insinuierte Lyssy, es sei Polanski eine Falle gestellt worden. Auch dies eine unreflektierte Behauptung, die umgehend durch einen anderen Unfug „korrigiert wurde. Es stimme schon, dass alles legal abgelaufen sei, doch sei halt eine andere Haltung gefordert. Auf die Vorzüge und allfälligen Nachteile einer auf Willkür basierenden Justiz wurde freilich nicht näher eingegangen. Stattdessen wurde auf das zuvor kritisierte amerikanische System verwiesen, in dem es möglich ist, dass ein abtretender Präsident als letzte Amtshandlung verurteilte Kriminelle begnadigt. Ein besonderes Flair scheint der linke Lyssy für Marc Rich zu haben, den er in diesem Zusammenhang besonders erwähnte. Hat sich nicht auch Sozialdemokrat Josef Estermann als Zürcher Stadtpräsident für Richs Begnadigung eingesetzt?

Geplapper aus Nizza
Die Aufgabe, an die Grenze des punkto Torheit Erträglichen vorzudringen, übernahm Schauspieler Hans Schenker, der gerade in Nizza über die Schrecken des Kapitalismus sinniert. Er sei „empört und schockiert“ über den Umgang mit einem „so genannten Verbrecher“. Seiner Ansicht nach ist die – von Polanski nie bestrittene – Vergewaltigung (oral, anal und vaginal) einer 13 Jährigen, die zuvor durch die Abgabe von Alkohol und Medikamenten widerstandslos gemacht wurde, also kein Verbrechen.

Da Schenker offensichtlich nicht in der Lage ist, einen eigenen intelligenten Gedanken zu formulieren, zitierte er wiederholt aus der links-liberalen Süddeutschen Zeitung, in der ein nicht weiter substantiierter Zusammenhang zwischen der Verhaftung Polanskis und dem Steuerstreit mit den USA behauptet wird. Dann zeigte Schenker, dass er nicht einmal richtig zitieren kann: De Gaulle hat nicht gesagt: „Künstler gehören nicht ins Gefängnis“, sondern „On n‘ arrete pas Voltaire“. Und das geschah nicht in Bezug auf Jean Genet, sondern auf Jean-Paul Sartre, der wegen Verteilens maoistischer Flugblätter festgenommen wurde. Abgesehen davon, ist de Gaulle nicht gerade ein leuchtendes Beispiel für einen Staatsmann, der sich gross um Rechtstaatlichkeit und Gewaltentrennung scherte.

Als wäre im der Champagner im spätsommerlichen Nizza zu Kopf gestiegen, teilte Schenker nach allen Seiten aus. Es seien Denunzianten am Werk. Wo denn? Der Auftritt Polanskis am Zürcher Filmfestival war gross angekündigt. Es sei diffamiert worden. Wer denn? Polanski? Oder nicht vielmehr die Schweizer Polizei und Justiz durch Leute wie Schenker? Dann wurde der Schweiz Liebedienerei – ein Begriff, an dem Schenker grossen Gefallen gefunden hat – unterstellt, und Toni Brunner wurde kurzerhand zum verlängerten Arm der US-Justiz erklärt. Wie dumm geht’s eigentlich noch?

Ausgerechnet Schenker als Vertreter des Kulturteigs, der alles und jeden, der ihnen die Subventionen nicht nachwirft kritisiert, und nichts lieber tut als zu moralisieren, erklärte schliesslich, man habe „genug von der moralisch Keule“. Ja wer schwingt diese denn?

Und als wollte Schenker wirklich auch dem Hintersten und Letzten beweisen, dass er nicht über das Niveau der Sponti-Sprüche der 70er- und 80er-Jahre hinausgekommen ist, hob er zu folgendem Schlusswort an: „Die Justiz macht keine Fehler – sie ist der Fehler!“ Was ist das anderes als eine Absage an den Rechtsstaat und die Ausrufung der Anarchie?

Linke weltweit am Ende
Erfreulich ist, dass sich diese Zerfallserscheinungen nicht auf die Schweiz beschränken. Auch im Ausland ist der intellektuelle Bankrott der linken Kulturfritzen offensichtlich. Auch die Schauspielerin Whoopi Goldberg fühlte sich berufen, sich zur Verhaftung Polanskis zu äussern. Nun ist klar, dass sie ausser den Qualifikationen „Frau“, „schwarz“ und „links“ nicht viel zu bieten hat. Wer als angebliche Kämpferin für die Rechte der Frauen Polanski mit dem Argument verteidigt, es sei ja gar „keine richtige Vergewaltigung“ gewesen, hat jegliche Glaubwürdigkeit verspielt.

Ganz ähnlich ihr Kollege Woody Allen, der das Vorgehen der Schweiz ebenfalls kritisierte. Auch er hatte ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs seiner Stieftochter am Hals. Ein anderer würde in einer solchen Situation schweigen.

Haben wir eins, oder haben wir keins?

Ein Staatsmann wie Konrad Adenauer konnte mit dem Ausspruch „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern” punkten. Das ist vermutlich der Grund, weshalb viele heutige Politiker glauben, jeden Tag etwas anderes zu erzählen, verleihe ihnen eine staatsmännische Aura. Dem ist nicht so, wie sich an einem Beispiel aus dem Kanton Zürich aufzeigen lässt.

Auf der Website der Finanzdirektion führt dessen Chefin Ursula Gut aus, dass es für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kantons Zürich am wichtigsten sei, das strukturelle Defizit im Staatshaushalt zu beseitigen. Darunter versteht man denjenigen Teil des Staatsdefizits, der nicht auf konjunkturelle Schwankungen zurückzuführen ist. Z.B. wenn neue Aufgaben ohne Abbau bestehender Aufgaben zur Überlastung des Staatshaushaltes führen.

Man ist für einmal versucht, „BRAVA!“ zu rufen, denn seit Jahren fordert die SVP genau das: die Beseitigung des strukturellen Haushaltsdefizits. Noch vor Kurzem glaubten wir, dass der Kampf verloren sei, denn noch in einer Medienkonferenz vom Dienstag, 25. März 2008 führte die Finanzdirektorin aus: „Zur Zeit kann davon ausgegangen werden, dass kein strukturelles Defizit besteht, dass aber die Finanzplanung nach wie vor ein solches aufzeigt.“

Es soll also etwas bekämpft werden, was es nach eigener Aussage gar nicht gibt. Die Erfolgsaussichten sind entsprechend ungewiss.

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